Die Verschwörung des Catilina ist vielleicht der am besten dokumentierte Krimi der römischen Antike. Er handelt vor allem von zwei römischen Politikern, die sich auf den Tod nicht leiden konnten: Lucius Sergius Catilina, ein adeliger Römer, der gerne Konsul werden wollte, und Marcus Tullius Cicero, der es aus wohlhabenden Verhältnissen in die große Politik geschafft hatte, und nun – als Gegenkandidat Catilinas – Konsul geworden war. Cicero warf Catilina vor, eine Verschwörung gegen „den Staat“ geplant zu haben, und ließ ihn und sämtliche angeblichen Mitverschwörer innerhalb kürzester Zeit umbringen. Cicero lobte sich fortan selbst als Retter des Vaterlandes.
Was dabei wirklich passiert ist, wissen wir leider nicht mehr so genau. Cicero – Catilinas Gegner – hat seine eigenen Anklagereden gegen Catilina veröffentlicht, und sie sind so berühmt geworden, dass wir sie heute noch kennen. Darin wirft er Catilina (neben unzähligen anderen Dingen) vor, mit einem Partisanenheer eine Revolution angezettelt zu haben, wichtige Politiker ermorden zu wollen, sich zum König putschen zu wollen, und so weiter. Diese Rede hielt Cicero im Senat (in Catilinas Anwesenheit, der sich danach schnell aus dem Staub machte) – und überzeugte die Senatoren so sehr, dass sie den Notstand erklärten, Catilinas angebliche Mitverschwörer sofort einsperren und hinrichten ließen, und ein Heer zu Catilinas Partisanen schickten, welches alle Aufständischen mitsamt Catilina niedermetzelte.
Eine andere Möglichkeit, diese Geschichte zu erzählen, geht so: Cicero wollte gerne als besonders toller Konsul in die Geschichte eingehen, und dazu musste er zunächst einmal irgendetwas besonders tolles tun. Als nun irgendwo in der italienischen Provinz ein kleines Heer von Aufständischen die Dörfer plünderte, warf er dem völlig überraschten Catilina in einer Senatssitzung vor, daran beteiligt zu sein, und würzte diese weltfremde Anschuldigung mit so viel Dramatik, Beleidigung und haltlosen Vorwürfen, dass der Senat es ihm tatsächlich abnahm und Catilina in Panik floh. Cicero ließ schnellstens alle angeblichen Mitverschwörer hinrichten, damit nicht herauskommen würde, dass er alles nur erfunden hatte, und befahl dem Heer, das die Partisanen erledigen sollte, keine Gefangenen zu machen, damit auch von dort nichts kommen könnte, was seinen Nachruhm gefährden würde.
Wie die Sache nun wirklich war, ist schwer zu sagen, denn wir kennen nur Ciceros Sicht der Dinge. Neben Ciceros eigenen „Reden gegen Catilina“ gibt es ein Geschichtswerk des Sallust „über die Verschwörung des Catilina“, aber da Sallust selbst sich wesentlich auf Ciceros Reden als Quellen stützte, ist schwer einzuschätzen, wie viel Sallusts Geschichte über den echten Catilina verrät. Die radikale Todesstrafen-Politik Ciceros hat keine Zeugen übrig gelassen, die Catilinas Sicht hätten vertreten können.
Cicero wurde übrigens zur Strafe für dieses heftige Vorgehen einige Jahre später aus Rom verbannt. Um seinen Nachruhm machte er sich allerdings weiter viele Gedanken: Er schrieb ein großes Epos auf sein eigenes Konsulat (De consulatu suo) und veröffentlichte sämtliche seiner Reden gegen Catilina, um sicherzugehen, dass auch jeder wusste, was für ein toller Hecht er war.
Dankeschön habibi wallah billah
Latein nimmt mich in der Schule hoch
Als Schüler in einem erzkonservativen altsprachlichen Gymnasium Mitte der 60er Jahre wurde ich mit einem geradezu heroischen Bild Ciceros konfrontiert, der jegliche Zweifel an seiner Integrität von vornherein ausschloss. Ich hatte schon damals Zweifel, ob Catalina wirklich der Schuft und Verräter war, als der er dargestellt wurde. Cicero kam mir immer aalglatt und auf seinen eigenen Vorteil bedacht vor. Aber so tolerant und demokratisch war die damalige Lehrerschaft nicht, diese Meinung gelten zu lassen. Diskussionen darüber waren von vornherein ausgeschlossen. Ich denke, dass Ciceros „edle Gesinnung“ heute mehr und mehr zu Recht in Frage gestellt wird.
Danke für diesen Beitrag, der berechtigte Zweifel an der Historizität der Catilinarischen Verschwörung (63 v. Chr.) sät. Ciceros hinlänglich bekannte Vorliebe zu Selbstüberhöhung und Dramatisierung dürfte sich auch in seinen 4 Konsulats-reden gegen Catilina – v.a. im Zuge späterer Redigierung – niedergeschlagen haben. Zudem vermögen die eher dubiosen Beweismittel (zB Briefe ungewisser Herkunft, das Zeugnis der Fulvia, die Berichte über militärische Aushebungen in Etrurien) das Bild vom staatszersetzenden Aufstand Catilinas nicht immer verlässlich zu stützen.
Somit ist die Hypothese einer alternativen historischen Wirklichkeit um Catilinas Machenschaften in Vielem suggestivstark. Dennoch sieht sie sich m.E. zwei Einwänden ausgesetzt, die grosso modo zum Festhalten an Ciceros panegyrischer Darstellung nötigen:
1) Die falschen Anschuldigungen müssten nicht nur von Sallust, sondern auch von den weiteren historiographischen Quellen (Appian, Cassius Dio, Livius, Plutarch und Velleius Paterculus) fraglos übernommen worden sein. Angesichts der dortigen kritischen Auseinandersetzung mit den auf Betreiben von Cicero verhängten Kapitalstrafen (etwa Plut. Cic. 23) und der gesicherten militärischen Verhältnisse in der Schlacht von Pistoia (62 v. Chr.) ist dies jedoch nicht haltbar.
2) Der Rückhalt aus den Reihen der Nobilität (zB seitens Catulus) für den Aristokraten Catilina hätte sich schwerlich durch die rhetorischen Invektiven Ciceros -wohlgemerkt ein nicht-adliger homo novus- derart beseitigen lassen, dass er in einen Senatsbeschluss und eine Erklärung zum Republikfeind (hostis) umgeschlagen wäre.
Danke für diesen Beitrag, der berechtigte Zweifel an der Historizität der Catilinarischen Verschwörung (63 v. Chr.) sät. Ciceros hinlänglich bekannte Vorliebe zu Selbstüberhöhung und Dramatisierung dürfte sich auch in seinen 4 Konsulats-reden gegen Catilina – v.a. im Zuge späterer Redigierung – niedergeschlagen haben. Zudem vermögen die eher dubiosen Beweismittel (zB Briefe ungewisser Herkunft, das Zeugnis der Fulvia, die Berichte über militärische Aushebungen in Etrurien) das Bild vom staatszersetzenden Aufstand Catilinas nicht immer verlässlich zu stützen.
Somit ist die Hypothese einer alternativen historischen Wirklichkeit um Catilinas Machenschaften in Vielem suggestivstark. Dennoch sieht sie sich m.E. zwei Einwänden ausgesetzt, die grosso modo zum Festhalten an Ciceros panegyrischer Darstellung nötigen:
1) Die falschen Anschuldigungen müssten nicht nur von Sallust, sondern auch von den weiteren historiographischen Quellen (Appian, Cassius Dio, Livius, Plutarch und Velleius Paterculus) fraglos übernommen worden sein. Angesichts der dortigen kritischen Auseinandersetzung mit den auf Betreiben von Cicero verhängten Kapitalstrafen (etwa Plut. Cic. 23) und der gesicherten militärischen Verhältnisse in der Schlacht von Pistoia (62 v. Chr.) ist dies jedoch nicht haltbar.
2) Der Rückhalt aus den Reihen der Nobilität (zB seitens Catulus) für den Aristokraten Catilina hätte sich schwerlich durch die rhetorischen Invektiven Ciceros -wohlgemerkt ein nicht-adliger homo novus- derart beseitigen lassen, dass er in einen Senatsbeschluss und eine Erklärung zum Republikfeind (hostis) umgeschlagen wäre.
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