Im Jahr 306 n. Chr. entscheidet sich ein untergeordneter römischer Offizier, alles auf eine Karte zu setzen. 350 Jahre nach Caesar sagt wieder einmal ein Feldherr mit unbegrenztem Selbstbewusstsein: Alea iacta est, jetzt rollt der Würfel, Alles oder Nichts, Kaiser-Sein oder Nicht-Sein. Konstantin lässt sich von seinen Soldaten zum Herrscher ausrufen und schickt sich an, das ganze Imperium zu erobern – aber wir machen erst einen Schritt zurück und schauen uns die Welt an, die dieser Konstantin da erobern will.
Das 3. Jahrhundert – Chaos, wohin man schaut: Usurpatoren
Wer sich die sogenannten Soldatenkaiser zwischen ca. 235 und 284 anschaut, der sitzt erst einmal ratlos vor den Namen. Es sind absurd viele:
Maximinus Thrax, Gordian, Gordian II., Gordian III., Pupienus, Balbinus, Philippus Arabs, Philippus II., Pacatianus, Iotapianus, Sponsianus, Decius, Valens Licinianus, Priscus, Herennius Etruscus, Hostilian, Trebonianus Gallus, Volusianus, Aemilianus, Valerian, Silbannacus, Uranius Antoninus, Gallienus, Saloninus, Regalianus, Macrianus, Quietus, Valens, Celsus, Trebellianus, Aureolus, Postumus, Laelianus, Marius, Victorinus, Domitianus, Tetricus, Faustinus, Claudius Gothicus, Quintillus, Aurelian, Felicissimus, Septimius, Urbanus, Vaballathus, Tacitus, Florianus, Probus, Lydius, Septimius (noch einer), Proculus, Saturninus, Carus, Carinus, Numerian, Iulianus
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_römischen_Kaiser_der_Antike
Das sind mehr Kaiser als Jahre! Entsprechend kurzlebig war ihre Herrschaft meistens auch. Viele dieser „Kaiser“ erklärten sich zum „Kaiser“, wurden aber sofort von anderen „Kaisern“ besiegt und beseitigt. Man nennt solche selbsternannten Gegen-Kaiser „Usurpatoren“ und dieses Vorgehen „Usurpation“.
Das führte dazu, dass im Imperium Romanum seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. eigentlich ständig irgendjemand die Macht zu ergreifen versuchte. Je häufiger die Usurpatoren erfolgreich waren, desto häufiger ahmten andere Feldherren ihr Vorgehen nach – ein Teufelskreis, der das Imperium ständig bedrohte. Das war nichts Neues, aber es terrorisierte die Bevölkerung, die unter den ständigen Bürgerkriegen litt, und schwächte das gesamte Imperium. Dazu kam die enorme Größe des Gebietes, die es für einen Kaiser allein so gut wie unmöglich machte, es zu kontrollieren.
Diokletian und die Erfindung der Tetrarchie
Am Ende des dritten Jahrhunderts saß mit Diokletian endlich wieder jemand ein bisschen länger im Sattel: ganze 20 Jahre lang. Diokletian wollte etwas gegen die ständigen Revolten irgendwelcher Feldherren unternehmen. Sein Ziel war eine Reform der Herrschaft: Das Reich sollte stabilisiert und vor den ständigen Usurpationen irgendwelcher Feldherren geschützt werden.
Diokletians Lösung für das Problem der ständigen Usurpationen war eine Teilung der Herrschaft. Erst teilte er sich das Reich mit einem alten Kampfgefährten, dann mit zwei weiteren Kollegen: Die Tetrarchie (Vierer-Herrschaft) war erfunden. Das ist Griechisch: „tetra“ bedeutet vier, wie im Tetra-Pak, und „archeia“ bedeutet Herrschaft. Zwei „Oberkaiser“ (Augusti) und zwei „Unterkaiser“ (Caesares) sollten sich im Reich verteilen, ihre jeweiligen Gebiete regieren und jeden Versuch irgendwelcher Usurpatoren, an die Macht zu kommen, durch ihre Übermacht zerschlagen.
Nach zehn Jahren sollte jeder Augustus von seiner Macht zurücktreten und sein Caesar zum Augustus werden. Die verbliebenen drei Herrscher wählten dann gemeinsam einen neuen Caesar aus. Dieser sollte – das war Diokletian besonders wichtig – nicht aus der Familie stammen, sondern nach seinen Fähigkeiten ausgewählt werden. Man könnte das Prinzip eine „Bestenauslese“ nennen.
Das war in der Antike ein ungewöhnliches Vorgehen. Den meisten Römern war der Gedanke einer dynastischen Herrschaft (vom Vater zum Sohn) viel vertrauter. Deshalb machten sich die Söhne der vier Kaiser Hoffnungen, sie selbst könnten mal zum Kaiser aufsteigen, auch wenn das eigentlich nicht vorgesehen war.
Konstantin usurpiert den Kaisertitel
Und da kommt nun Konstantin ins Spiel. Sein Vater Konstantius war einer dieser Tetrarchen-Kaiser. Da fand er es natürlich blöd, dass die „Erbfolge“ für die Tetrarchie nicht galt, denn so ging er selbst leer aus. Im Jahr 306 starb sein Vater Konstantius – und Konstantin fand, nun könnte er den Kaisertitel von ihm „erben“, auch wenn die Tetrarchie so ja nicht gedacht war. Konstantin ließ sich von den Truppen des Vaters, die nun er selbst kommandierte, zum Kaiser ausrufen.
Genau der gleiche Vorgang passierte zeitgleich in Rom, wo sich der Feldherr Maxentius, auch ein Sohn eines ehemaligen Augustus, ebenfalls zum Kaiser erklärte. Damit waren innerhalb weniger Monate gleich zwei mächtige Usurpatoren mit mächtigen Armeen im Reich aufgetaucht. Die verbliebenen „legalen“ Kaiser sahen keine Möglichkeit, die beiden Usurpatoren militärisch niederzuschlagen, und arrangierten sich mit Konstantin, indem sie ihn zu einem Mit-Kaiser ernannten. Damit war Konstantin ein Teil der Tetrarchie geworden – für’s erste.
Drei, zwei, eins, meins
Im Jahr 311 war der letzte Kaiser der ursprünglichen Tetrarchie verstorben. In den folgenden zwanzig Jahren räumte Konstantin nun seine übrig gebliebenen „Mitkaiser“ der Reihe nach aus dem Weg.
Zunächst beseitigte er im Jahr 312 seinen „Usurpatoren-Kollegen“ Maxentius, der die Stadt Rom besetzt hielt. Diesen besiegte er in der berühmten „Schlacht an der milvischen Brücke“ (direkt bei Rom).
Damit war die Herrschaft im Imperium nur noch durch Zwei geteilt: Während Konstantin im Westen des Reichs herrschte, kontrollierte sein Mitkaiser Licinius den Osten des Reiches. Die beiden pflegten eine Art On-Off-Beziehung, bekriegten sich also regelmäßig, um dann immer wieder für ein paar Jahre Frieden zu schließen.
Im Jahr 324 schließlich entwickelte sich aus einer Provokation Konstantins ein offener Krieg, der mit dem Sieg Konstantins endete. Licinius und sein damals erst zehnjähriger Sohn wurden wenig im Auftrag des Siegers ermordet. Damit war Konstantin der unangefochtene Alleinherrscher im Imperium Romanum – nach etwa 40 Jahren war die Teilung der Macht damit endgültig erledigt.
War da nicht was mit dem Christentum?
In den Jahren ab 312 bis zu seinem Tod krempelte Konstantin, neben der Herrschaft im römischen Reich, auch die Religionspolitik völlig um. In der christlichen Tradition gilt er als der erste christliche Kaiser, der das bislang eher bekämpfte Christentum förderte. Aber das ist eine andere Geschichte, die wir an anderer Stelle behandeln werden.