Zu diesem Werk gibt es ein Spezialvokabular zur Vorbereitung.
[16] Sed iuventutem, quam, ut supra diximus, illexerat, multis modis mala facinora edocebat. Ex illis testis signatoresque falsos commodare; fidem, fortunas, pericula vilia habere, post, ubi eorum famam atque pudorem attriverat, maiora alia imperabat. Si causa peccandi in praesens minus suppetebat, nihilo minus insontis sicuti sontis circumvenire, iugulare: scilicet, ne per otium torpescerent manus aut animus, gratuito potius malus atque crudelis erat. His amicis sociisque confisus Catilina, simul quod aes alienum per omnis terras ingens erat et quod plerique Sullani milites largius suo usi rapinarum et victoriae veteris memores civile bellum exoptabant, opprimundae rei publicae consilium cepit. In Italia nullus exercitus, Cn. Pompeius in extremis terris bellum gerebat; ipsi consulatum petenti magna spes, senatus nihil sane intentus: tutae tranquillaeque res omnes, sed ea prorsus opportuna Catilinae. | Aber er lehrte der Jugend, welche er, wie ich schon sagte, verführte, auf viele Weisen üble Verbrechen. Von jenen machte er sich manche als falsche Gerichts- und Testamentszeugen zunutze; er befahl ihnen, Treue, Besitz und Gefahren für käufliche Güter zu halten, und später, als er ihren Ruf und ihren Anstand verdorben hatte, noch größere Dinge. Wenn ein Grund zum Sündigen gerade weniger zur Hand war, bedrängte er nichtsdestoweniger Unschuldige wie Schuldige und mordete freilich auch, damit seine Hand oder sein Herz nicht durch die Untätigkeit abstumpften; auch ohne Aussicht auf Gewinn war er lieber böse und grausam. Diesen Freunden und Gefährten vertraute Catilina, weil die Schulden in aller Welt immens waren und weil die meisten Soldaten Sullas, wenn sie an die Raubzüge und an den alten Sieg dachten, den Bürgerkrieg herzlich gern herbeisehnten – denn sie hatten ihren Besitz freigebig verschleudert -, und fasste daher den Beschluss, einen Staatsstreich zu begehen. In Italien gab es kein Heer; Cnaeus Pompeius führte Krieg am Ende der Welt; er selbst, der das Konsulat erstrebte, machte sich große Hoffnungen, der Senat brachte nichts Vernünftiges zustande: alles schienen sicher und ruhig, aber jene günstigen Umstände kamen dem Catilina entgegen. |
[17] Igitur circiter Kalendas Iunias L. Caesare et C. Figulo consulibus primo singulos appellare, hortari alios, alios temptare; opes suas, inparatum rem publicam, magna praemia coniurationis docere. Ubi satis explorata sunt, quae voluit, in unum omnis convocat, quibus maxuma necessitudo et plurumum audaciae inerat. Eo convenere senatorii ordinis P. Lentulus Sura, P. Autronius, L. Cassius Longinus, C. Cethegus, P. et Ser. Sullae Ser. filii, L. Vargunteius, Q. Annius, M. Porcius Laeca, L. Bestia, Q. Curius; praeterea ex equestri ordine M. Fulvius Nobilior, L. Statilius, P. Gabinius Capito, C. Cornelius; ad hoc multi ex coloniis et municipiis domi nobiles. Erant praeterea complures paulo occultius consili huiusce participes nobiles, quos magis dominationis spes hortabatur quam inopia aut alia necessitudo. Ceterum iuventus pleraque, sed maxume nobilium, Catilinae inceptis favebat; quibus in otio vel magnifice vel molliter vivere copia erat, incerta pro certis, bellum quam pacem malebant. Fuere item ea tempestate, qui crederent M. Licinium Crassum non ignarum eius consili fuisse; quia Cn. Pompeius, invisus ipsi, magnum exercitum ductabat, cuiusvis opes voluisse contra illius potentiam crescere, simul confisum, si coniuratio valuisset, facile apud illos principem se fore | Um die Kalenden des Junis im Jahr, als Lucius Caesar und Gaius Figulo Konsuln waren, begann er zunächst, einzelne Leute anzusprechen, andere zu ermahnen, wieder andere zu prüfen; er verbreitete, dass er große Macht besaß, dass der Staat unvorbereitet sei und dass die Verschwörung großen Lohn verspreche. Sobald weit genug bekannt war, was er wollte, rief er alle Leute an einem Ort zusammen, die sehr eng mit ihm verbunden oder von enormer Kühnheit waren. Dazu kamen aus dem Senatorenstand Publius Lentulus Sura, Publius Autronius, Lucius Cassius Longinus, Gaius Cethegus, Publius und Servius, Söhne des Sulla Servius, Lucius Vargunteius, Quintus Annius, Marcus Porcius Laeca, Lucius Bestia, Quintus Curius, außerdem aus dem Ritterstand Marcus Fulvius Nobilior, Lucius Statilius, Publius Gabinius Capito und Gaius Cornelius; dazu kamen viele Adlige aus den Kolonien und aus den Bundesstädten zuhause. Außerdem waren ziemlich viele nicht wesentlich heimlicher Unterstützer dieses Plans, die eher die Hoffnung auf Herrschaftsgewalt antrieb als Armut oder Abhängigkeit. Im Übrigen unterstützte ein Großteil der Jugend, aber am meisten die der Adligen, Catilinas Unternehmen; diese Leute verfügten über eine Fülle an Freizeit, in der sie protzend oder faul lebten, und wollten Sicheres gegen Unsicheres eintauschen, wollten lieber Krieg als Frieden. Ebenso gab es zu dieser Zeit Leute, die glaubten, dass Marcus Licinius Crassus auch über diesen Plan bescheid gewusst habe; weil Cnaeus Pompeius, sein Erzfeind, ein großes Heer führte, habe er gewollt, die Machtmittel jedes Beliebigen, der gegen dessen Einfluss stand, zu vergrößern, und sei zugleich überzeugt gewesen, dass er sich selbst mit Leichtigkeit bei ihnen zum Führer hätte machen können, wenn die Verschwörung Erfolg gehabt hätte |
[18] Sed antea item coniuravere pauci contra rem publicam, in quibus Catilina fuit. De qua, quam verissume potero, dicam. L. Tullo et M‘. Lepido consulibus P. Autronius et P. Sulla designati consules legibus ambitus interrogati poenas dederant. Post paulo Catilina pecuniarum repetundarum reus prohibitus erat consulatum petere, quod intra legitumos dies profiteri nequiverat. Erat eodem tempore Cn. Piso, adulescens nobilis, summae audaciae, egens, factiosus, quem ad perturbandam rem publicam inopia atque mali mores stimulabant. Cum hoc Catilina et Autronius circiter Nonas Decembris consilio communicato parabant in Capitolio Kalendis Ianuariis L. Cottam et L. Torquatum consules interficere, ipsi fascibus correptis Pisonem cum exercitu ad obtinendas duas Hispanias mittere. Ea re cognita rursus in Nonas Februarias consilium caedis transtulerant. Iam tum non consulibus modo, sed plerisque senatoribus perniciem machinabantur. Quod ni Catilina maturasset pro curia signum sociis dare, eo die post conditam urbem Romam pessumum facinus patratum foret. Quia nondum frequentes armati convenerant, ea res consilium diremit. | Aber schon vorher verschworen sich auch einige wenige gegen den Staat, unter denen Catilina gewesen war. Davon will ich, so wahr, wie ich kann, berichten. Als Lucius Tullus und Marcus Lepidus Konsuln waren, waren Publius Autronius und Publius Sulla, die gewählten Konsuln, gemäß den Gesetzen des Ehrgeizes befragt und verurteilt worden. Wenig später war Catilina durch eine Anklage in einem Repetundenprozess daran gehindert worden, sich um das Konsulat zu bewerben, weil er sich nicht während der gesetzlich vorgeschriebenen Frist hatte melden können. Zu ebendieser Zeit gab es einen Cnaeus Piso, einen adeligen Jugendlichen von höchster Kühnheit, arm und verschlagen, den die Armut und die üblen Sitten zumMissbrauch des Staats antrieben. Mit diesem bereiteten Catilina und Autronius um die Nonen des Dezembers nach Absprache des Plan vor, auf dem Kapitol an den Kalenden des Januars den Lucius Cotta und Lucius Torquatus – die Konsuln – zu töten, die Rutenbündel an sich zu reißen und den Piso mit einem Heer zur Eroberung der zwei Spanien zu schicken. Als jene Sache aufgedeckt worden war, verschoben sie den Mordplan wiederum auf die Nonen des Februars. Schon damals bereiteten sie nicht nur den Untergang der Konsuln, sondern auch der meisten Senatoren vor. Wenn aber Catilina den Mittätern vor der Kurie das Zeichen nicht zu voreilig gegeben hätte, so wäre an diesem Tag das übelste Verbrechen seit der Gründung der Stadt Rom begangen worden. Weil aber noch nicht genügend Bewaffnete zusammengekommen waren, unterbrach dies den Plan. |
[19] Postea Piso in citeriorem Hispaniam quaestor pro praetore missus est adnitente Crasso, quod eum infestum inimicum Cn. Pompeio cognoverat. Neque tamen senatus provinciam invitus dederat; quippe foedum hominem a republica procul esse volebat, simul quia boni conplures praesidium in eo putabant et iam tum potentia Pompei formidulosa erat. Sed is Piso in provincia ab equitibus Hispanis, quos in exercitu ductabat, iter faciens occisus est. Sunt, qui ita dicant: imperia eius iniusta, superba, crudelia barbaros nequivisse pati; alii autem: equites illos, Cn. Pompei veteres fidosque clientis, voluntate eius Pisonem aggressos; numquam Hispanos praeterea tale facinus fecisse, sed imperia saeva multa antea perpessos. Nos eam rem in medio relinquemus. De superiore coniuratione satis dictum. | Später wurde Piso auf Betreiben des Crassus als Propraetor in das diesseite Spanien geschickt, weil er ihn als bedrohlichen Feind für Cnaeus Pompeius erkannt hatte. Dennoch gab der Senat die Provinz nicht unwillig ab, da er wollte, dass dieser scheußliche Mensch weit vom Staat entfernt sei, und zugleich auch, weil viele Gute glaubten, er verfüge über Schutzmaßnahmen und schon damals die Macht des Pompeius bedenklich war. Aber dieser Piso wurde in der Provinz von den spanischen Rittern, die er im Heer führte, noch auf der Reise umgebracht. Es gibt Leute, die behaupten, die Barbaren hätten seine ungerechten, hochmütigen und grausamen Befehle nicht ertragen können; andere hingegen behaupten, diese Reiter seien alte und treue Anhänger des Pompeius gewesen, die auf dessen Wunsch hin den Piso angegriffen hätten; niemals hätten die Spanier außerdem ein solches Verbrechen begangen, sondern viele wilde Befehle standhaft ertragen. Wir aber wollen diese Frage mittendrin verlassen. Über die frühere Verschwörung ist genug gesagt. |
[20] Catilina ubi eos, quos paulo ante memoravi, convenisse videt, tametsi cum singulis multa saepe egerat, tamen in rem fore credens univorsos appellare et cohortari in abditam partem aedium secedit atque ibi omnibus arbitris procul amotis orationem huiusce modi habuit: | Als Catilina sah, dass jene, die ich kurz zuvor erwähnte, zusammengekommen waren, glaubte er, obwohl er mit den Einzelnen oft vieles besprochen hatte, es werde der Sache dennoch nützen, wenn er sie zusammen ansprechen und ermutigen würde, und ging in einen abgelegenen Teil seines Hauses. Und dort hielt er, fernab von allen Zeugen, eine Rede von folgender Art: |
„Ni virtus fidesque vostra spectata mihi forent, nequiquam opportuna res cecidisset; spes magna, dominatio in manibus frustra fuissent, neque ego per ignaviam aut vana ingenia incerta pro certis captarem. | „Wenn ich nicht eure Tugend und eure Treue gesehen hätte, wäre die günstige Gelegenheit umsonst vorübergezogen; die große Hoffnung, die Herrschaft in unseren Händen wäre vergeblich gewesen, und ich würde nicht mit Faulheit oder mit unzuverlässigen Leuten unsichere Dinge versuchen, um sie gegen sichere zu tauschen. |
„Sed quia multis et magnis tempestatibus vos cognovi fortis fidosque mihi, eo animus ausus est maxumum atque pulcherrumum facinus incipere, simul quia vobis eadem, quae mihi, bona malaque esse intellexi; nam idem velle atque idem nolle, ea demum firma amicitia est. Sed ego quae mente agitavi, omnes iam antea divorsi audistis. Ceterum mihi in dies magis animus accenditur, cum considero, quae condicio vitae futura sit, nisi nosmet ipsi vindicamus in libertatem. Nam postquam res publica in paucorum potentium ius atque dicionem concessit, semper illis reges, tetrarchae vectigales esse, populi, nationes stipendia pendere; ceteri omnes, strenui, boni, nobiles atque ignobiles, vulgus fuimus, sine gratia, sine auctoritate, iis obnoxii, quibus, si res publica valeret, formidini essemus. Itaque omnis gratia, potentia, honos, divitiae apud illos sunt aut ubi illi volunt; nobis reliquere pericula, repulsas, iudicia, egestatem. Quae quousque tandem patiemini, o fortissumi viri? Nonne emori per virtutem praestat quam vitam miseram atque inhonestam, ubi alienae superbiae ludibrio fueris, per dedecus amittere? Verum enim vero, pro deum atque hominum fidem, victoria in manu nobis est: viget aetas, animus valet; contra illis annis atque divitiis omnia consenuerunt. Tantum modo incepto opus est, cetera res expediet. Etenim quis mortalium, cui virile ingenium est, tolerare potest illis divitias superare, quas profundant in exstruendo mari et montibus coaequandis, nobis rem familiarem etiam ad necessaria deesse? Illos binas aut amplius domos continuare, nobis larem familiarem nusquam ullum esse? Cum tabulas, signa, toreumata emunt, nova diruunt, alia aedificant, postremo omnibus modis pecuniam trahunt, vexant, tamen summa lubidine divitias suas vincere nequeunt. At nobis est domi inopia, foris aes alienum, mala res, spes multo asperior: denique quid reliqui habemus praeter miseram animam? | Aber weil ich in vielen und großen Stürmen erkannt habe, dass ihr tapfer und mir treu seid, dadurch hat es mein Herz gewagt, das größte und schönste Verbrechen zu begehen, und zugleich, weil ich verstanden habe, dass euch dieselben Dinge gut und schlecht erscheinen wie mir; denn dasselbe zu wollen und dasselbe nicht zu wollen, das ist schließlich wahre, feste Freundschaft. Aber was ich im Geiste ausgetüftelt habe, habt ihr schon vorher alle getrennt voneinander gehört. Im Übrigen entbrennt mein Herz von Tag zu Tag mehr, wenn ich bedenke, in welcher Verfassung sich unser künftiges Leben befinden wird, wenn wir es nicht selbst zur Freiheit verdammen. Denn seitdem der Staat unter das Gesetz und die Gewaltherrschaft weniger Mächtiger gefallen ist, waren Könige und Tetrarchen immer nur diesen Leuten steuerpflichtig, seitdem zahlten Volksstämme immer nur ihnen Tribut, und alle anderen, tapfere, gute, adelige oder nichtadelige – wir waren Pöbel, ohne Dank, ohne Einfluss, und denjenigen unterworfen, die uns fürchten müssten, wenn der Staat gesund wäre. Deshalb ist aller Ruhm, alle Macht, alle Ehre und aller Reichtum bei jenen oder wo sie sie haben wollen; uns überließen sie Gefahren und Zurückweisungen, Strafurteile und Armut. Wie lange wollt ihr euch das noch gefallen lassen, ihr tapfersten Männer? Ist es etwa nicht besser, durch Tugend zu sterben, als ein elendes und ehrloses Leben, wo du dem Spott fremder Hochmut dienst, durch Schande zu verlieren? In Wahrheit aber, bei der Treue der Götter und der Menschen, der Sieg liegt in unseren Händen: wir sind im besten Alter, unser Herz ist stark, während sie dagegen an ihrem hohen Alter und an ihren Reichtümern verfaulen. Es ist nur ein Anfang notwendig, den Rest wird die Sache selbst erledigen. Denn wer unter den Sterblichen, der ein männliches Herz besitzt, kann es dulden, dass jene Reichtum im Überfluss besitzen, den sie verschwenden, indem sie das Meer überbauen und Berge einebnen, während uns sogar das Haushaltsgeld für das Nötigste fehlt? Jene sammeln zwei oder mehr Häuser an, sollen wir etwa niemals einen Hausaltar besitzen? Wenn sie Tafeln, Statuen und getriebenes Kunstwerk kaufen, reißen sie Neubauten nieder, bauen andere, reißen sie wieder ab, können aber dennoch ihre Reichtümer selbst durch die größte Kaufsucht nicht verbrauchen. Aber bei uns zuhause herrscht Armut, auswärts haben wir Schulden, der Zustand ist schlecht, die Aussichten sind noch viel schlechter: was haben wir schließlich übrig außer unserem elenden Herzen? |
„Quin igitur expergiscimini? En illa, illa, quam saepe optastis, libertas, praeterea divitiae, decus, gloria in oculis sita sunt; fortuna omnia ea victoribus praemia posuit. Res, tempus, pericula, egestas, belli spolia magnifica magis quam oratio mea vos hortantur. Vel imperatore vel milite me utimini! Neque animus neque corpus a vobis aberit. Haec ipsa, ut spero, vobiscum una consul agam, nisi forte me animus fallit et vos servire magis quam imperare parati estis.“ | Warum erwacht ihr denn nicht? Seht doch: das, was ihr oft gewollt habt, Freiheit außerdem Reichtum, Ruhm, Ehre, sie alle stehen vor euren Augen; Fortuna hat all diese Dinge den Siegern als Lohn bereitet. Die Gelegenheit, der Zeitpunkt, die Gefahren, die Armut und die große Kriegsbeute stacheln euch noch mehr an als meine Rede. Gebraucht mich als Anführer oder als Mitstreiter! Weder mein Herz noch mein Leib wird euch fehlen. Diese Sache werde ich, so hoffe ich, mit euch gemeinsam als Konsul betreiben, wenn mich nicht gerade mein Verstand trügt und ihr eher bereit seid zu dienen als zu herrschen.“ |