Medea, eine mächtige Zauberin, ist die Tochter des Königs Aetes. Dieser Aetes besitzt das goldene Vlies, welches Jason, einer der Argonauten, beschaffen will. König Aetes stellt ihm einige Aufgaben, die für Jason den sicheren Tod bedeuten müssten – unter anderem muss er einen Drachen töten und weitere üble Aufgaben bestehen. Doch Medea verliebt sich unsterblich in den Fremden und hilft ihm durch ihre Zauberkunst und manchmal durch beispiellose Brutalität, die Aufgaben zu bestehen. Verfolgt von ihrem Vater tötet sie ihren Bruder Absyrtus, zerstückelt ihn und wirft ihn ins Meer; durch dieses „Ablenkungsmanöver“ können Jason und Medea dem Aetes entkommen. Sie flüchten nach Korinth, doch dort kommt alles anders: Jason fühlt sich vom göttlichen Schicksal gezwungen, die Tochter des dortigen Königs Creo, die naheliegenderweise Creusea (manchmal auch Glauke) heißt, zu heiraten, und muss Medea dafür sitzen lassen.
Jason müsste eigentlich am besten wissen, dass man Medea nicht verärgern sollte – schließlich ist sie eine mächtige Zauberin und eine brutale Mörderin. Dennoch wendet er sich von ihr ab, obwohl die beiden sogar Kinder miteinander haben. Medea ist entsprechend sauer über diese Abfuhr, die Jason ihr erteilt, und beginnt, Rachepläne gegen Jason und Creusea zu schmieden. An dieser Stelle setzt Senecas Tragödie ein. Medea befindet sich in der Fremde, Jason hat sich erst kürzlich Creusea zugewandt. Nun sinnt Medea auf Rache.
Medea Di coniugales tuque genialis tori, Lucina, custos quaeque domituram freta Tiphyn nouam frenare docuisti ratem, et tu, profundi saeue dominator maris, 5 clarumque Titan diuidens orbi diem, tacitisque praebens conscium sacris iubar Hecate triformis, quosque iurauit mihi deos Iason, quosque Medeae magis fas est precari: noctis aeternae chaos, 10 auersa superis regna manesque impios dominumque regni tristis et dominam fide meliore raptam, uoce non fausta precor. |
Götter der Ehe und du, Wächterin des Ehebetts, Lucina, die du Tiphys gelehrt hast, das die Fluten beherrschen werdende, neue Schiff zu lenken, und du, wilder Beherrscher des tiefen Meeres, und Titan, der du den hellen Tag für den Erdkreis einteilst, und dreigestaltige Hekate, die du den schweigenden Heiligtümern wissenden Glanz bereitest, und bei welchen Göttern mir Jason noch schwor, zu welchen Medea göttlichen Rechts wegen noch mehr beten muss: das Chaos der ewigen Nacht, die den Göttern abgewandten Reiche und die düsteren Manen und den Herrn des traurigen Reiches und die Herrin, die durch größere Treue geraubt wurde, mit unglücklicher Stimme flehe ich. |
nunc, nunc adeste sceleris ultrices deae, crinem solutis squalidae serpentibus, 15 atram cruentis manibus amplexae facem, adeste, thalamis horridae quondam meis quales stetistis: coniugi letum nouae letumque socero et regiae stirpi date. |
Nun, nun steh mir bei, Göttin, die du Verbrechen rächst, die du besudelt bist mit wallenden Schlangen anstelle von Haar, die du die schwarze Fackel mit den blutigen Händen umfasst, steh mir bei, wie du meinem Brautgemach einst auch beigestanden hast: den Tod gebt der neuen Braut, und dem Schwiegervater und der ganzen Königsfamilie. |
Num peius aliquid? quod precer sponso malum? 20 uiuat; per urbes erret ignotas egens exul pauens inuisus incerti laris, iam notus hospes limen alienum expetat; me coniugem opt(at)o, quoque non aliud queam peius precari, liberos similes patri similesque matri++parta iam, parta ultio est: |
Gibt’s was Schlimmeres? Welches Übel wünsch ich dem Bräutigam? Er soll leben, er soll durch fremde Städte irren und Armut leiden im Exil und fürchten soll er sich und unsichtbar und ohne sichere Heimat, bald soll er als bekannter Gastfreund an fremden Türen betteln; er soll sich mich zur Frau wünschen, auch – ich kann nichts Schlimmeres erbitten – soll er sich dem Vater ähnliche Kinder und der Mutter ähnliche wünschen; geboren schon, geboren ist die Rache: |
peperi. Querelas uerbaque in cassum sero? non ibo in hostes? manibus excutiam faces caeloque lucem++spectat hoc nostri sator Sol generis, et spectatur, et curru insidens 30 per solita puri spatia decurrit poli? |
Ich habe sie geboren. Knüpfe ich vergeblich Klagen und Worte? Werde ich nicht dem Feind entgegengehen? Reiße ich mit den Händen die Fackeln und das Licht vom Himmel? Der Vater unseres Geschlechts, der Sol, erblickt’s und wird selbst gesehn, und er sitzt im Wagen und läuft durch den gewohnten Raum des reinen Himmels? |
non redit in ortus et remetitur diem? da, da per auras curribus patriis uehi, committe habenas, genitor, et flagrantibus ignifera loris tribue moderari iuga: |
Kehrt er nicht zurück zum Aufgang und wiederholt den Tageslauf? Gestatte es, durch die Lüfte mit dem väterlichen Wagen zu fahren, gestehe mir die Flügel zu, Vater, und gestatte, mit flammenlodernder Peitsche das flammendene Pferdegespann zu lenken: |
35 gemino Corinthos litori opponens moras cremata flammis maria committat duo. hoc restat unum, pronubam thalamo feram ut ipsa pinum postque sacrificas preces caedam dicatis uictimas altaribus. |
Das mit zwillingshaftem Strand seinem Aufenthalt entgegenstehende Korinth möge, verbrannt von den Flammen, die zwei Meere vereinigen! Dies eine bleibt, dass ich den Hochzeitskranz selbst zum Brautgemach bringe und nach den Opferbitten die Opfertiere an den geweihten Altären töte. |
40 Per uiscera ipsa quaere supplicio uiam, si uiuis, anime, si quid antiqui tibi remanet uigoris; pelle femineos metus et inhospitalem Caucasum mente indue. |
In meinem Herzen suche einen Weg zur Rache, wenn du lebst, du meine Seele, wenn etwas von der früheren Tatkraft dir noch geblieben ist; vertreibe die weiberhafte Furcht und nimm die unwirtliche Gebirgskette des Kaukasus im Geiste an. |
quodcumque uidit Phasis aut Pontus nefas, 45 uidebit Isthmos. effera ignota horrida, tremenda caelo pariter ac terris mala mens intus agitat: uulnera et caedem et uagum funus per artus++leuia memoraui nimis: haec uirgo feci; grauior exurgat dolor: |
Was auch immer Phasis oder Pontus an Unrecht sahen, wird dann der Isthmos sehen. Wilde, niedere, schreckliche Übel, die den Himmel erbeben lassen und die Erde genauso, plant mein Kopf innerlich: Verwundung und Gemetzel und unstetes Grabmahl durch meine Glieder – als Leichtigkeit beschrieb ich es zu sehr: als Jungfrau tat ich dies; größerer Schmerz entbrenne in mir: |
50 maiora iam me scelera post partus decent. accingere ira teque in exitium para furore toto. paria narrentur tua repudia thalamis: quo uirum linques modo? |
Größere Verbrechen ziemen sich für mich nun, nach den Geburten. Umgürte dich mit Wut und bereite dich zum Untergang vor mit allem Zorn. Bring hervor, wie deine Verbannung aus dem Brautgemach erzählt wird: auf welche Weise verlässt du diesen Mann? |
hoc quo secuta es. rumpe iam segnes moras: 55 quae scelere parta est, scelere linquenda est domus. |
Auf jene, wie du ihm gefolgt bist. Beende schon das träge Abwarten: wie du das Haus durch Verbrechen erworben hast, so verlasse es auch. |
Erster Chorgesang. In den Chorgesängen, die sozusagen die „Refrains“ der antiken Tragödie darstellen, wird die Handlung zusammengefasst, werden Vorgeschichten angespielt und allgemein Zusatzinformationen zur Handlung der Tragödie gegeben. Die Chorgesänge sind in ihren Formulierungen meist sehr feierlich gehalten. Außerdem kann Seneca in diesen Chorgesängen später mit einer äußeren Stimme über die Ereignisse der Tragödie sprechen und somit selbst Stellung zum Geschehen beziehen; es spricht nicht ein Charakter der Tragödie, sondern ein von Außen beobachtender Dritter.
Chorvs Ad regum thalamos numine prospero qui caelum superi quique regunt fretum adsint cum populis rite fauentibus. |
Zum Brautgemach der Könige unter gnädigem Götterzeichen sollen kommen, die Götter des Himmels und die Götter, welche das Meer beherrschen, sie sollen kommen mit dem Volk, das anständig die Sache unterstützen möge. |
Primum sceptriferis colla Tonantibus 60 taurus celsa ferat tergore candido; Lucinam niuei femina corporis intemptata iugo placet, et asperi Martis sanguineas quae cohibet manus, quae dat belligeris foedera gentibus 65 et cornu retinet diuite copiam, donetur tenera mitior hostIa. |
Zuerst soll den donnernden Szepterträgern der Stier den Nacken in die Höhe gerichtet hinhalten, der Stier mit dem weißen Rücken; Und das Weibchen von schneeweißem Körper soll die Lucina gefällig stimmen, das Weibchen, das nie vom Joch gezügelt wurde, und die blutigen Hände des brutalen Mars soll sie umfasst halten, sie, die den kriegerischen Völkern Verträge schenkt und die Truppe zurückhält mit dem reichen Horn, ein liebliches und ziemlich zartes Opfer soll ihr gegeben werden. |
Et tu, qui facibus legitimis ades, noctem discutiens auspice dextera huc incede gradu marcidus ebrio, 70 praecingens roseo tempora uinculo. |
Und du, der du uns mit den Fackeln des Rechts beistehst, du vertreibst die Nacht, du Wahrsager, mit der rechten Hand tritt ausgelaugt hierhin mit völlig betrunkenem Schritt der du deine Schläfen mit einer Kette aus Rosen umkränzt. |
Et tu, quae, gemini praeuia temporis, tarde, stella, redis semper amantibus: te matres, auide te cupiunt nurus quamprimum radios spargere lucidos. |
Auch du, welche du der zwillingsartigen Zeit vorangehst, du, Stern, der du immer träge zu den Liebenden zurückkehrst: dich begehren die Mütter, und begierig begehren dich die Schwiegertöchter dass du so schnell wie möglich deine schimmernden Strahlen schickst. |
75 Vincit uirgineus decor longe Cecropias nurus, |
Die jungfräuliche Anmut siegt um Längen über die cecropischen Schwiegertöchter, |
et quas Taygeti iugis exercet iuuenum modo muris quod caret oppidum, |
welche die Stadt am Joch des Taygetusgebirges herumscheucht wie Burschen (gemeint ist die Stadt, welche keine Mauern besitzt), |
80 et quas Aonius latex Alpheosque sacer lauat. |
und welche das aonische Gewässer und der fromme Alpheus umspült. |
Si forma uelit aspici, cedent Aesonio duci proles fulminis improbi 85 aptat qui iuga tigribus, |
Wenn seine Gestalt gesehen werden will, dann weichen sie vor dem aesonischen Fürsten, ein Kind des schaurigen Blitzes, das Tigern das Joch anmisst, |
nec non, qui tripodas mouet, frater uirginis asperae, cedet Castore cum suo Pollux caestibus aptior. |
und er, der den Dreifuß bewegt, weicht als Bruder einer dürren Jungfer, (so wie) Pollux mit seinem Castor, (aber) fähiger im Faustkampf. |
90 Sic, sic, caelicolae, precor, uincat femina coniuges, uir longe superet uiros. |
So, so, ihr Himmelsbewohner, bitte ich dass die Frau die Frauen besiegen möge, und der Mann die Männer um Längen. |
Haec cum femineo constitit in choro, unius facies praenitet omnibus. 95 sic cum sole perit sidereus decor, et densi latitant Pleiadum greges, cum Phoebe solidum lumine non suo orbem circuitis cornibus alligat. |
Selbst wenn sie inmitten eines Mädchenreigens steht, schimmert ihr Antlitz einzigartig allen voran. So geht der Sternenglanz mit der Sonne unter und die dichten Herden der Pleiaden verschwimmen wenn Phoebus den gedrungenen Erdkreis in fremdem Licht mit ihn umgebenden Hörnern zusammenbindet. |
ostro sic niueus puniceo color 100 perfusus rubuit, sic nitidum iubar pastor luce noua roscidus aspicit. |
So errötet die weiße Farbe des Schnees, mit phönizischen Purpur übergossen; so erblickt der Hirte, feucht vom Morgentau, den schimmernden Lichtstrahl beim Sonnenaufgang. |
Ereptus thalamis Phasidis horridi, effrenae solitus pectora coniugis inuita trepidus prendere dextera, 105 felix Aeoliam corripe uirginem nunc primum soceris sponse uolentibus. |
Entrissen ist er aus dem schrecklichen Ehegemach des Phasis, die Brust der zügellosen Gattin ergreift er losgelöst mit der unwilligen Hand und zittert dabei, glücklicher Ehemann! Ergreife nun eine äolische Jungfer mit dem Einverständnis des Schwiegervaters, zum ersten Mal! |
Concesso, iuuenes, ludite iurgio, hinc illinc, iuuenes, mittite carmina: rara est in dominos iusta licentIa. |
spielt, Kinder, denn Zanken ist erlaubt, hier und da, Kinder, singt Lieder: Man darf ja nur selten gegen die Herren spotten. |
110 Candida thyrsigeri proles generosa Lyaei, multifidam iam tempus erat succendere pinum: excute sollemnem digitis marcentibus ignem. festa dicax fundat conuicia Fescenninus, soluat turba iocos++tacitis eat illa tenebris, 115 si qua peregrino nubit furtiua marito. |
Leuchtende Brut des bacchusstabführenden Lycaeus, es war schon Zeit, das gespaltene Holz zu entzünden: treibe das festliche Feuer mit den welken Fingern! Der geschwätzige Spottgesang möge sich in feierlichen Beleidigungen ergehen und die Schar möge Unfug treiben. Jene soll in stillen Schatten verschwinden, die listige, die einen ausländischen Mann heiratet. |
Medea flucht weiter vor sich hin. Sie wälzt Rachepläne gegen Jason, will ein möglichst schreckliches und originelles Verbrechen gegen Jason begehen, kann sich aber nicht recht entscheiden, welches Rachemittel in ihrer Situation probat wäre. Dabei kommt sie auf ihre früheren Brutalitäten zu sprechen: Medea hat bereits einige Sauereien auf dem Kerbholz. Unter anderem hat sie durch eine List einen älteren Herrn namens Pelias zerstückeln und kochen lassen. In ihrer Verzweiflung gesellt sich ihre Amme zu ihr; sie versucht, Medea von ihren teuflischen Plänen abzubringen und will ihr die Gefahren und unnötigen Risiken aufzeigen, die mit ihrem Rachedurst verbunden sind. Medea lässt sich jedoch nicht überzeugen; es kommt zu einem heftigen Wortwechsel, an dessen Ende König Creo (auch als Creon bekannt) vor der Tür steht. Creo hat ein ziemlich problematisches Verhältnis zu Medea: er ist der Vater der Kreusea, und Kreusea ist Jasons neue Ehefrau, also Medeas Nachfolgerin. Da ist es nur zu verständlich, dass Medea keine guten Worte für ihn findet.
Medea Occidimus: aures pepulit hymenaeus meas. uix ipsa tantum, uix adhuc credo malum. hoc facere Iason potuit, erepto patre patria atque regno sedibus solam exteris 120 deserere durus? merita contempsit mea qui scelere flammas uiderat uinci et mare? |
Medea Ich bin gefallen: Hochzeitsgesang quält meine Ohren. Kaum glaube ich ein so großes, so unfassbares Unheil. Dies konnte Jason tun, nachdem der Vater und das Vaterland und das Reich geraubt sind, mich einsam in fremdem Land zu verlassen, der Herzlose? Er verachtete meine Verdienste, obwohl er Flammen und Meer mit meiner List besiegt werden sah? |
adeone credit omne consumptum nefas? incerta uecors mente non sana feror partes in omnes; unde me ulcisci queam? 125 utinam esset illi frater! est coniunx: in hanc ferrum exigatur. hoc meis satis est malis? si quod Pelasgae, si quod urbes barbarae nouere facinus quod tuae ignorent manus, nunc est parandum. scelera te hortentur tua 130 et cuncta redeant: inclitum regni decus raptum et nefandae uirginis paruus comes diuisus ense, funus ingestum patri sparsumque ponto corpus et Peliae senis decocta aeno membra: funestum impie 135 quam saepe fudi sanguinem++et nullum scelus irata feci: saeuit infelix amor. |
Glaubt er etwa, damit sei all meine Durchtriebenheit aufgebraucht? Unsicher, verrückt, mit unklarem Geist stürme ich wild umher; wie könnte ich mich bloß rächen? Wenn er doch einen Bruder hätte! Es ist die Gattin: gegen jene soll sich ein Schwert richten! Ist das genug für meine Leiden? Wenn es etwas gibt, wenn die Pelasger- oder Barbarenstädte irgendein Verbrechen kennen sollten, und deine Hände kennen es nicht, dann muss es jetzt getan werden. Deine Verbrechen mögen dich ermahnen und alle miteinander zu dir zurückkehren: der berühmte Schmuck des Reichs ist geraubt und der kleine Gefährte der schurkischen Jungfer vom Schwert gespalten; der Vater organisiert ein Begräbnis und der Körper ist im Meer verteilt und die Glieder des alten Pelias sind im Erzkessel gekocht: wie oft habe ich Frevlerin das Blut eines Toten vergossen? Und kein Verbrechen beging ich aus Zorn: es wütete eine unglückliche Liebe. |
Quid tamen Iason potuit, alieni arbitri iurisque factus? debuit ferro obuium offerre pectus++melius, a melius, dolor 140 furiose, loquere. si potest, uiuat meus, ut fuit, Iason; si minus, uiuat tamen memorque nostri muneri parcat meo. |
Was aber hätte Jason tun können, von fremder Bestimmung und fremdem Gesetz getrieben? Er hätte sich das Schwert auf die Brust setzen müssen! Besseres, ach Besseres, wilder Zorn, sprich zu mir. Wenn es möglich ist, soll er als der Meine leben, wie es gewesen ist, mein Jason; ist’s nicht möglich, soll er trotzdem leben, und meiner gedenkend schone er meinen Dienst. |
Culpa est Creontis tota, qui sceptro impotens coniugia soluit quique genetricem abstrahit 145 gnatis et arto pignore astrictam fidem dirimit: petatur, solus hic poenas luat, quas debet. alto cinere cumulabo domum; uidebit atrum uerticem flammis agi Malea longas nauibus flectens moras. |
Es ist allein Kreons Schuld, der mit seinem Szepter ohnmächtig Ehen auflöst und der den Kindern die Mutter raubt, und der die mit engem Pfand gebundene Treue zerreißt: er soll geschlagen werden, er allein soll die Strafen erhalten, die er verdient. Mit hoher Asche werd ich sein Haus bewerfen; Malea wird den schwarzen Giebel von Flammen lodern sehen und dem Schiff weite Umwege bescheren. |
150 Nvtrix Sile, obsecro, questusque secreto abditos manda dolori. grauia quisquis uulnera patiente et aequo mutus animo pertulit, referre potuit: ira quae tegitur nocet; professa perdunt odia uindictae locum. |
Amme: Still, bitte, gib deine Klagen heimlich und in verborgenem Schmerz von dir! Wer die schweren Wunden mit geduldigem und gleichmütigem Herz still erträgt, der kann sie zurückzahlen: Zorn, der verborgen wird, schadet; offener Hass vernichtet die Gelegenheit zur Rache. |
155 Me. Leuis est dolor, qui capere consilium potest et clepere sese: magna non latitant mala. libet ire contra. Nv. Siste furialem impetum, alumna: uix te tacita defendit quies. |
Me. Leicht ist der Schmerz, der einen Beschluss fassen kann und sich verstecken kann: große Übel verbergen sich nicht. Es steht mir frei, zu kämpfen. A. Zügle deinen Zornausbruch, meine Tochter: schweigsame Ruhe wird dich kaum verteidigen. |
Me. Fortuna fortes metuit, ignauos premit. 160 Nv. Tunc est probanda, si locum uirtus habet. Me. Numquam potest non esse uirtuti locus. Nv. Spes nulla rebus monstrat adflictis uiam. Me. Qui nil potest sperare, desperet nihil. Nv. Abiere Colchi, coniugis nulla est fides 165 nihilque superest opibus e tantis tibi. Me. Medea superest: hic mare et terras uides ferrumque et ignes et deos et fulmina. |
Me. Fortuna fürchtet die Tapferen und quält die Feigen. A. Dann muss man die Tugend gutheißen, wenn sie Gelegenheit hat. Me. Eine Gelegenheit für die Tugend gibt es immer. A. In düsteren Umständen zeigt die Hoffnung nie den Weg. Me. Wer nichts erhoffen kann, kann auch nicht verzweifeln. A. Die Kolcher sind fortgegangen, dein Ehemann besitzt keine Treue und nichts bleibt dir von all deinen Reichtümern. Me. Mir bleibt – Medea: Meer und Land siehst du hier und das Schwert, die Flammen, die Götter und die Blitze. |
Nv. Rex est timendus. Me. Rex meus fuerat pater. Nv. Non metuis arma? Me. Sint licet terra edita. Nv. Moriere. Me. Cupio. Nv. Profuge. Me. Paenituit fugae. Nv. Medea++Me. Fiam. Nv. Mater es. Me. Cui sim uide. Nv. Profugere dubitas? Me. Fugiam, at ulciscar prius. Nv. Vindex sequetur. Me. Forsan inueniam moras. Nv. Compesce uerba, parce iam, demens, minis 175 animosque minue: tempori aptari decet. Me. Fortuna opes auferre, non animum potest. Sed cuius ictu regius cardo strepit? ipse est Pelasgo tumidus imperio Creo. |
A. Vor dem König muss man sich fürchten. Me. Dieser König war mein Vater. A. Fürchtest du nicht die Waffen? Me. Und seien sie von der Erde geboren. A. Du wirst sterben. Me. Will ich. A. Flieh! Me. Mich reute schonmal eine Flucht. A. Medea! Me. Das bin ich. A. Du bist Mutter! Me. Sieh, wem ich gehöre! A. Du zögerst zu fliehen? Me. Ich werde fliehen, aber erst räch‘ ich mich. A. Der Richter folgt dir. Me. Vielleicht finde ich einen Ausweg. A. Unterdrücke die Worte, spare mit den Drohungen, Verrückte, und zügle deine Wut: es ist nötig, sich den Umständen anzupassen. Me. Fortuna kann mir die Reichtümer nehmen, aber nicht die Wut. Aber von wessen Schlag knarrt die herrliche Tür? Er selbst ist es, der von seiner griechischen Herrschaft aufgeblasene Kreo. |
Creo und Medea treffen aufeinander. Creo bemerkt, dass Medea sein Reich noch immer nicht – wie befohlen – verlassen hat; er wollte sie eigentlich selbst längst aus dem Weg räumen, aber Jason nahm Medea in Schutz.
Darum will Creo nun dafür sorgen, dass Medea sobald wie möglich sein Reich verlässt. Medea dagegen brütet ja noch über ihren Racheplänen; dennoch muss sie sich gegenüber Creo zurückhalten, der über ihr Schicksal bestimmen kann. Während Medea noch versucht, ihn davon zu überzeugen, dass Jason dieselbe Schuld trifft wie sie, hat Creo sein Urteil bereits längst gefällt, sodass ihre Verteidigung ins Leere läuft. Schließlich kann Medea sich noch einen Tag Aufschub ausbitten, um sich von ihren Kindern zu verabschieden.
Creo Medea, Colchi noxium Aeetae genus, 180 nondum meis exportat e regnis pedem? molitur aliquid: nota fraus, nota est manus. cui parcet illa quemue securum sinet? abolere propere pessimam ferro luem equidem parabam: precibus euicit gener. 185 concessa uita est, liberet fines metu abeatque tuta.++fert gradum contra ferox minaxque nostros propius affatus petit.++ |
Creo Medea, dieses schädliche Wesen vom Stamme des Kolchers Aetes, hat noch immer nicht ihren Fuß aus meinen Reichen bewegt? Irgendetwas bereitet sie vor: bekannt ist der Betrug, bekannt ist die Täterin. Wen wird dieses Weib schonen, und wen lässt sie in Frieden? Ich habe versucht, mit schnellem Schwertstreich dieses grausige Weib wie die Pest auszutilgen: der Schwiegersohn hinderte mich mit seinen Bitten. Das Leben sei ihr zugestanden; sie soll mein Land von der Furcht befreien, dann darf sie unbedroht verschwinden. Sie setzt die Schritte wild voran und wild und drohend nähert sie sich, um zu mir zu sprechen. |
Arcete, famuli, tactu et accessu procul, iubete sileat. regium imperium pati 190 aliquando discat. Vade ueloci uia monstrumque saeuum horribile iamdudum auehe. Me. Quod crimen aut quae culpa multatur fuga? Cr. Quae causa pellat, innocens mulier rogat. Me. Si iudicas, cognosce, si regnas, iube. 195 Cr. Aequum atque iniquum regis imperium feras. Me. Iniqua numquam regna perpetuo manent. Cr. I, querere Colchis. Me. Redeo: qui auexit, ferat. Cr. Vox constituto sera decreto uenit. Me. Qui statuit aliquid parte inaudita altera, 200 aequum licet statuerit, haud aequus fuit. Cr. Auditus a te Pelia supplicium tulit? sed fare, causae detur egregiae locus. |
Haltet sie fern, meine Diener, verhindert jede Berührung und Annäherung, und befehlt ihr, dass sie schweigt. Dem Befehl eines Königs zu gehorchen, soll sie endlich einmal lernen. Geh auf schnellstem Wege und verschwinde endlich, du wildes, grausiges Ungeheuer! Me. Für welches Verbrechen oder welche Schuld werd ich mit Flucht gestraft? Cr. Weshalb sie verschwinden soll, fragt die unschuldige Hausfrau. Me. Wenn du urteilst, dann verstehe. Wenn du herrschst, befiehl. Cr. Du sollst den Befehl des Königs befolgen, ob er gerecht ist oder nicht. Me. Unrechtsherrschaft ist niemals beständig. Cr. Geh, sag’s doch den Colchern! Me. Na gut. Der mich entführte, bringe mich zurück. Cr. Dein Einverständnis kam ziemlich spät, es ist eh schon beschlossen. Me. Wer etwas beschließt, ohne die andere Seite gehört zu haben, ist wohl kaum gerecht, selbst wenn er etwas Gerechtes beschließt. Cr. Wurde Pelias etwa von dir angehört, bevor du ihn getötet hast? Aber red‘ du nur, einem hochwichtigen Fall soll Raum zugestanden werden. |
Me. Difficile quam sit animum ab ira flectere iam concitatum quamque regale hoc putet 205 sceptris superbas quisquis admouit manus, qua coepit ire, regia didici mea. quamuis enim sim clade miseranda obruta, expulsa supplex sola deserta, undique afflicta, quondam nobili fulsi patre 210 auoque clarum Sole deduxi genus. |
Me. Wie schwierig es ist, einen zornerregten Geist noch umzustimmen, und für wie königlich man es hält, – wer auch immer seine hochmütigen Hände an das Szepter führt – alles Begonnene durchzuziehen, das lernte ich an meinem eigenen Hof. Obwohl ich nämlich von einer erbärmlichen Niederlage bedrückt werde, und als Bittflehende einsam und vertrieben und verlassen bin, von überall angegriffen werde, glänzte ich trotzdem einst wegen meines noblen Vaters und meine erhabene Familie stammt von meinem Großvater Sol ab. |
quodcumque placidis flexibus Phasis rigat Pontusque quidquid Scythicus a tergo uidet, palustribus qua maria dulcescunt aquis, armata peltis quidquid exterret cohors 215 inclusa ripis uidua Thermodontiis, hoc omne noster genitor imperio regit. |
Was auch immer Phasis mit sanften Gewässern benetzt und was auch immer der skythische Pontus hinter sich sieht, und welche Meere auch immer von den Sumpfwassern süß gemacht, und was auch immer die mit Kleinschilden bewaffnete Kohorte aufscheucht, die berühmt sind, weil sie wie Witwen leben an den Ufern des Thermodon, all dies beherrscht mein Vater unter seinem Befehl. |
generosa, felix, decore regali potens fulsi: petebant tunc meos thalamos proci, qui nunc petuntur. rapida fortuna ac leuis 220 praecepsque regno eripuit, exilio dedit. |
Edel, glücklich, mächtig und vor königlichem Schmuck schimmerte ich: damals sehnten sich die Freier nach meinem Ehebett das nun von mir selbst ersehnt wird. Reißend und unentschlossen riss Fortuna mich Hals über Kopf aus diesem Reich und schickte mich ins Exil. |
confide regnis, cum leuis magnas opes huc ferat et illuc casus++hoc reges habent magnificum et ingens, nulla quod rapiat dies: prodesse miseris, supplices fido lare 225 protegere. Solum hoc Colchico regno extuli, decus illud ingens Graeciae et florem inclitum, praesidia Achiuae gentis et prolem deum seruasse memet. munus est Orpheus meum, qui saxa cantu mulcet et siluas trahit, 230 geminumque munus Castor et Pollux meum est satique Borea quique trans Pontum quoque summota Lynceus lumine immisso uidet, omnesque Minyae: nam ducum taceo ducem, pro quo nihil debetur: hunc nulli imputo; |
Traue auf die Königsmacht, weil ja dieser wankelmütige Zustand große Reichtümer überall hin bringt. Dies aber haben die König, dieses eine wunderbare und große, das kein Tag ihnen nehmen kann: den Armen beizustehen, und die Bittflehenden mit ihrem treuen Hausgott zu beschützen. Dieses allein nahm ich aus dem Colcherreich mit fort, diesen ungeheuren Schmuck Griechenlands und diese berühmte Blüte, den Schutz des Achivergeschlechts und die Brut der Götter, dass ich dies alles gerettet habe. Mein Geschenk ist der Orpheus, der durch Gesang Steine erweicht und Wälder bewegt, mein Geschenk sind die Zwillinge Castor und Pollux und die Söhne des Boreas, und der Lyncaeus, der auch jenseits des Meeres verborgene Dinge mit einem kurzen Blick erkennt, und alle Argonauten: und ich verschweige den Führer der Führer, für den nichts geschuldet wird: für den beanspruche ich keine Bezahlung. |
235 uobis reuexi ceteros, unum mihi. Incesse nunc et cuncta flagitia ingere: fatebor; obici crimen hoc solum potest, Argo reuersa. uirgini placeat pudor paterque placeat: tota cum ducibus ruet 240 Pelasga tellus, hic tuus primum gener tauri ferocis ore flagranti occidet. |
Die übrigen führte ich zu euch zurück, den einen zu mir. Nun beginn und führe alle Verbrechen an: ich gestehe! Nur dieses eine Verbrechen kann mir auferlegt werden, dass die Argo zurückgekehrt ist. Die Scham möge der Jungfer gefallen, und der Vater auch: die pelasgische Erde wird zusammenbrechen mit ihren Führern, und als erstes wird dein Schwiegersohn untergehen unter dem flammenden Maul des wilden Stieres. |
[fortuna causam quae uolet nostram premat, non paenitet seruasse tot regum decus] quodcumque culpa praemium ex omni tuli, 245 hoc est penes te. si placet, damna ream; sed redde crimen. sum nocens, fateor, Creo: talem sciebas esse, cum genua attigi fidemque supplex praesidis dextra peti; |
Fortuna mag mein Geschick so, wie sie es haben möchte, formen, es reut mich nicht, so viel Schmuck der Könige gerettet zu haben. Was auch immer für einen Vorteil ich aus der ganzen Schuld zog, das steht in deiner Gewalt. Wenn es gefällt, verdamme die Angeklagte; aber klage mich an. Ich gestehe, ich bringe Schaden, Creo: Dass ich eine solche bin, wusstest du, als ich die Knie beugte und unterwürfig um Treue und Schutz deiner Hand flehte. |
terra hac miseriis angulum et sedem rogo 250 latebrasque uiles: urbe si pelli placet, detur remotus aliquis in regnis locus. |
In diesem Land bitte ich im Elend um eine Hütte, um eine Zuflucht und ein billiges Versteck: wenn es gefällt, dass ich aus der Stadt vertrieben werde, soll mir irgendein abgelegener Platz in deinen Reichen gegeben werden! |
Cr. Non esse me qui sceptra uiolentus geram nec qui superbo miserias calcem pede, testatus equidem uideor haud clare parum 255 generum exulem legendo et adflictum et graui terrore pauidum, quippe quem poenae expetit letoque Acastus regna Thessalica optinens. |
Cr. Dass ich nicht so einer bin, der das Szepter gewaltsam führt, und auch nicht einer, der auf das Elend mit hochmütigem Fuß niederstampft, scheine ich wohl deutlich genug bewiesen zu haben indem ich einen Fremden als Schwiegersohn auswählte, der geschlagen und von schwerer Furcht geängstigt war, weil Acastus, der die thessalischen Reiche beherrscht, seinetwegen auf Bestrafung und Mord sinnt. |
senio trementem debili atque aeuo grauem patrem peremptum queritur et caesi senis 260 discissa membra, cum dolo captae tuo piae sorores impium auderent nefas. potest Iason, si tuam causam amoues, suam tueri: nullus innocuum cruor contaminauit, afuit ferro manus 265 proculque uestro purus a coetu stetit. |
Er beklagt den vom gebrechlichen Alter zitternden und vom Alter trägen, vernichteten Vater und die zerstückelten Glieder des getöteten Greises, weil die frommen Schwestern durch deine List gefangengenommen wurden und das frevlerische Verbrechen wagten. Jason kann seine Sache schützen, wenn du deine sein lässt: kein Mord hat den Unschuldigen befleckt, seine Hand lag nicht am Schwert und er stand wie ein Anständiger fernab von deiner üblen Verschwörung. |
Tu, tu malorum machinatrix facinorum, cui feminae nequitia, ad audendum omnia robur uirile est, nulla famae memoria, egredere, purga regna, letales simul 270 tecum aufer herbas, libera ciues metu, alia sedens tellure sollicita deos. |
Du, du Anstifterin zu üblen Verbrechen, du nichtsnutziges Weibsstück mit deiner zu allem fähigen mannhaften Kraft, frei von Gedanken an deinen Ruf, verschwinde, reinige dieses Reich, und nimm gleich deine Mordlust mit dir, befreie seine Bürger von der Furcht, und stimme die Götter in einem anderen Land zornig! |
Me. Profugere cogis? redde fugienti ratem uel redde comitem++fugere cur solam iubes? non sola ueni. bella si metuis pati, 275 utrumque regno pelle. cur sontes duos distinguis? illi Pelia, non nobis iacet; fugam, rapinas adice, desertum patrem lacerumque fratrem. quidquid etiamnunc nouas docet maritus coniuges, non est meum: 280 totiens nocens sum facta, sed numquam mihi. |
Me. Du zwingst mich zu fliehen? Gib der Fliehenden ein Schiff oder gib mir meinen Gefährten – warum befiehlst du mir, allein zu fliehen? Ich kam auch nicht allein. Wenn du fürchtest, einen Krieg auf dich zu ziehen, dann verstoß uns beide aus dem Reich. Warum unterscheidest du zwischen zwei Schuldigen? Pelias fiel seinet-, nicht meinetwegen; Füge noch die Flucht, die Räuberei hinzu, den verlassenen Vater und den zerstückelten Bruder. Was auch immer er nun als Ehemann seine neue Frau lehrt, ist nicht mein Belang: So oft wurde ich zur Unheilstifterin, aber niemals meinetwegen. |
Cr. Iam exisse decuit. quid seris fando moras? Me. Supplex recedens illud extremum precor, ne culpa natos matris insontes trahat. Cr. Vade: hos paterno ut genitor excipiam sinu. 285 Me. Per ego auspicatos regii thalami toros, per spes futuras perque regnorum status, Fortuna uaria dubia quos agitat uice, precor, breuem largire fugienti moram, dum extrema natis mater infigo oscula, 290 fortasse moriens. Cr. Fraudibus tempus petis. Me. Quae fraus timeri tempore exiguo potest? Cr. Nullum ad nocendum tempus angustum est malis. Me. Parumne miserae temporis lacrimis negas? Cr. Etsi repugnat precibus infixus timor, 295 unus parando dabitur exilio dies. |
Cr. Du hättest bereits gehen sollen. Was verlängerst du den Aufenthalt durch Geplapper? Me. Unterwürfig erbitte ich beim Gehen dieses letzte, dass nicht die Schuld der Mutter die unschuldigen Kinder trifft. Cr. Verschwine, ich werde sie wie ihr Erzeuger an meiner väterlichen Brust aufnehmen. Me. Bei dem geweihten Ehebett des königlichen Brautgemachs, bei den künftigen Hoffnungen und bei der Größe des Königreichs, welche die wechselhafte, wankelmütige Fortuna abwechselnd umhertreibt, ich bitte darum: schenke der Fliehenden noch ein wenig Zeit, während ich als Mutter meinen Kindern die letzten Küsse gebe, vielleicht sterb ich ja dabei. Cr. Für Listen willst du Zeit. Me. Welche List kann man denn in diesem kurzen Augenblick fürchten? Cr. Für die Bösen ist kein Augenblick zu kurz für Schändlichkeiten. Me. Verbietest du etwa mir Armer ein klein wenig Zeit für Tränen? Cr. Obwohl meine gefestigte Furcht den Bitten widerstrebt, soll dir ein Tag gegeben sein, deine Abreise vorzubereiten. |
Me. Nimis est, recidas aliquid ex isto licet; et ipsa propero. Cr. Capite supplicium lues, clarum priusquam Phoebus attollat diem nisi cedis Isthmo.++Sacra me thalami uocant, 300 uocat precari festus Hymenaeo dies. |
Me. Das ist schon zuviel, reduziere ein bisschen was davon, wenn du willst; und ich eile los. Cr. Du zahlst zur Strafe mit deinem Kopf, wenn du nicht von Isthmos verschwindest, bevor der Phoebus den hellen Tag herbei bringt. Mich rufen die Götterdienste des Vermählung, der Festtag ruft mich, für die Eheleute zu beten. |
Chorvs Audax nimium qui freta primus rate tam fragili perfida rupit terrasque suas posterga uidens animam leuibus credidit auris, 305 dubioque secans aequora cursu potuit tenui fidere ligno inter uitae mortisque uices nimium gracili limite ducto. |
Zu kühn zerbrach er als erster den trügerischen Meeresspiegel auf einem so zerbrechlichen Schiff und während er sein Land hinter sich sah, vertraute er sein Herz den sanften Winden an, und durchschnitt auf unsicherem Kurs die See und konnte sich von dem dünnen Holz anvertrauen auf schmalem Pfad an der Grenze zwischen Leben und Tod. |
Nondum quisquam sidera norat, 310 stellisque, quibus pingitur aether, non erat usus, nondum pluuias Hyadas poterat uitare ratis, non Oleniae lumina caprae, nec quae sequitur flectitque senex 315 Attica tardus plaustra Bootes, nondum Boreas, nondum Zephyrus nomen habebant. |
Noch kannte niemand die Sterne und Gestirne, auf welche der Himmel gezeichnet ist, es gab keine Verwendung dafür, und das Schiff konnte noch nicht dem Regen unter dem Hyadensternbild ausweichen, nicht den Sternen der olenischen Ziege, und der träge Sterntreiber konnte nicht den attischen Wagen meiden, welchen der alte Mann steuert und lenkt, und Nord- und Südwind hatten noch keine Namen. |
Ausus Tiphys pandere uasto carbasa ponto 320 legesque nouas scribere uentis: nunc lina sinu tendere toto, nunc prolato pede transuersos captare notos, nunc antemnas medio tutas ponere malo, 325 nunc in summo religare loco, cum iam totos auidus nimium nauita flatus optat et alto rubicunda tremunt sipara uelo. |
Tiphys wagte es, auf dem weiten Meer das Karbasus-Segel zu spannen und dem Wind neue Gesetze aufzuerlegen: nun spannen sie die Segel in voller Rundung bald fangen sie mit gelockertem Tau die quergerichteten Südwinde, dann setzen sie die sicheren Segelstangen an den mittleren Mast, schon binden sie sie an die höchste Stelle, als schon der begierige Seemann sich alle Winde wünscht und am hohen Segel das rote Banner flattert. |
Candida nostri saecula patres 330 uidere procul fraude remota. sua quisque piger litora tangens patrioque senex factus in aruo, paruo diues nisi quas tulerat natale solum non norat opes. |
Unsere Väter sahen leuchtende Jahrhunderte, die weit entfernt waren von Betrug. Ein jeder lebte uninteressiert an seinen eigenen Küsten und wurde im väterlichen Gefilde alt, ein jeder war reich durch weniges, und was nicht der heimische Boden hervorgebracht hatte, hielt er nicht für Reichtum. |
335 Bene dissaepti foedera mundi traxit in unum Thessala pinus iussitque pati uerbera pontum partemque metus fieri nostri mare sepositum. |
Die Gesetze der wohlgetrennten Welt zog das thessalische Schiffsholz zusammen und befahl, dass das Meer Hiebe ertragen sollte und dass ein Teil unserer Angst dem Meer zugeteilt werde. |
340 Dedit illa graues improba poenas per tam longos ducta timores, cum duo montes, claustra profundi, hinc atque illinc subito impulsu uelut aetherio gemerent sonitu, 345 spargeret arces nubesque ipsas mare deprensum. |
Schwere Strafen litt dieses unanständige Schiffsholz als es durch so große Fürchterlichkeiten geführt wurde, als die zwei Berge, wie Dämme für die Meerestiefen, unter plötzlichem Stoßen von hier und von dort wie himmlisches Gedröhn knarrten, und so bespritzte das gefangene Meer die (Himmels)Burgen und Wolken. |
Palluit audax Tiphys et omnes labente manu misit habenas, Orpheus tacuit torpente lyra ipsaque uocem perdidit Argo. 350 Quid cum Siculi uirgo Pelori, rabidos utero succincta canes, omnis pariter soluit hiatus? quis non totos horruit artus totiens uno latrante malo? |
Der kühne Tiphys erbleichte und ließ die Zügel mit lockerer Hand los, Orpheus schwieg und die Lyra blieb still und die Argo selbst verlor ihre StimMe. Die Jungfrau vom sizilischen Pelorus, die am Bauch mit wilden Hunden umgürtet ist, öffnete sie nicht alle Mäuler im gleichen Augenblick? Wer erbebte nicht an allen Gliedern wenn ein einziges Übel so oft bellte? |
355 Quid cum Ausonium dirae pestes uoce canora mare mulcerent, cum Pieria resonans cithara Thracius Orpheus solitam cantu retinere rates 360 paene coegit Sirena sequi? |
Berzirzt das grausame Verderben mit singender Stimme nicht das ausonische Meer, spielte nicht der Thraker Orpheus mit der thessalischen Zither und hätte die beinahe die Sirene gezwungen, dem Schiff zu folgen – dabei war sie gewöhnt, dass sie selbst es fesselte? |
Quod fuit huius pretium cursus? aurea pellis maiusque mari Medea malum, merces prima digna carina. Nunc iam cessit pontus et omnes 365 patitur leges: non Palladia compacta manu regum referens inclita remos quaeritur Argo++ quaelibet altum cumba pererrat. |
Was war der Lohn dieser Seefahrt? Das goldene Vlies und der Fluch der Medea, der noch größer ist als der des Meeres, ein angemessener Tausch für das erste Schiff. Nun weicht das Meer schon zurück und erduldet alle Gesetze: nicht die von der Hand der Athene zusammengefügte und Ruder von Königen tragende, berühmte Argo wird verlangt: jede beliebige Seifenkiste darf auf dem Meer herumirren. |
Terminus omnis motus et urbes 370 muros terra posuere noua, nil qua fuerat sede reliquit peruius orbis: |
Jede Grenze wurde aufgehoben und auf unbekanntem Land legten die Städte Mauern an, und nichts lässt die erschlossene Welt an dem Ort, an dem es gewesen war, zurück: |
Indus gelidum potat Araxen, Albin Persae Rhenumque bibunt++ 375 uenient annis saecula seris, quibus Oceanus uincula rerum laxet et ingens pateat tellus Tethysque nouos detegat orbes nec sit terris ultima Thule. |
Ein Inder trinkt Wasser aus dem eisigen Fluss Araxeus, die Perser trinken solches aus der Elbe und dem Rhein; In späteren Jahren werden Zeitalter kommen, in denen der Ozean die Fesseln der Dinge lockern und ein riesiges Land offenstehen wird und in denen Tethys neue Städte enthüllen wird, und der Rand der Welt wird nicht mehr Thule sein. |
Medea und ihre Amme unterhalten sich weiter. Medea ist mittlerweile völlig aufgelöst und tobt vor Wut herum, immernoch auf der Suche nach einem angemessenen Racheplan. Da kommt plötzlich Jason des Wegs.
380 Nvtrix Alumna, celerem quo rapis tectis pedem? resiste et iras comprime ac retine impetum. Incerta qualis entheos gressus tulit cum iam recepto maenas insanit deo Pindi niualis uertice aut Nysae iugis, 385 talis recursat huc et huc motu effero, furoris ore signa lymphati gerens. |
Amme Mädchen, wohin hetzt du aus dem Haus? Widersteh‘ und zügle deine Wut und halte den Angriff noch zurück. Wie eine Bacchantin, wenn sie unsicher mit berauschten Schritten und vom Gott besessen halluziniert auf dem Gipfel des verschneiten Pindus oder auf dem Berg von Nysae, so läuft sie hin und her in wilder Bewegung auf dem Gesicht die Anzichen des wahnwitzigen Zorns. |
flammata facies, spiritum ex alto citat, proclamat, oculos uberi fletu rigat, renidet: omnis specimen affectus capit. 390 haeret: minatur aestuat queritur gemit. quo pondus animi uerget? ubi ponet minas? ubi se iste fluctus franget? exundat furor. non facile secum uersat aut medium scelus; se uincet: irae nouimus ueteris notas. 395 magnum aliquid instat, efferum immane impium: uultum Furoris cerno. di fallant metum! |
Die Augen lodern, sie schnappt tief nach Luft, sie schreit, Tränen rinnen ihr aus den Augen vor lauter Weinen, dann grinst sie wieder: die Kennzeichen aller Gefühle auf einmal trägt sie. Sie verharrt: sie droht und brodelt und klagt und seufzt. Wohin neigt sich der Schwerpunkt ihrer Seele? Womit droht sie? Wo wird diese Welle sich brechen? Die Wut kocht über. Sie wälzt wohl das unbekannte Verbrechen mühselig in ihrem Herzen; sie wird sich selbst übertreffen: Ich kenne ihre frühere Wut. Etwas Großes steht bevor, etwas wildes, ungeheures, frevlerisches: ich sehe die Züge voll Zorn. Mögen die Götter meine Furcht vertreiben! |
Medea Si quaeris odio, misera, quem statuas modum, imitare amorem. regias egone ut faces inulta patiar? segnis hic ibit dies, 400 tanto petitus ambitu, tanto datus? dum terra caelum media libratum feret nitidusque certas mundus euoluet uices numerusque harenis derit et solem dies, noctem sequentur astra, dum siccas polus 405 uersabit Arctos, flumina in pontum cadent, numquam meus cessabit in poenas furor crescetque semper++quae ferarum immanitas, quae Scylla, quae Charybdis Ausonium mare Siculumque sorbens quaeue anhelantem premens 410 Titana tantis Aetna feruebit minis? |
Medea Wenn du fragst: „Auf welche Weise kannst du dem Hass Grenzen aufzeigen, du Arme?“, täusch Liebe vor! Wie könnte ich die Fackelzug des Königspaars ohne Kampf ertragen? Wird der Tag langsam vergehen, der durch solchen Drang von ihm ersehnt wurde, der so gegeben wurde? Solange die Erde den Himmel im Gleichgewicht trägt, und solange die glänzende Welt sich sicher weiterdreht, und solange die Zahl an Sandkörnern unendlich bleibt am Tag die Sonne und bei Nacht die Sterne scheinen, solange der Nordstern die trockenen Bären weitertreibt, solange die Flüsse ins Meer fließen, solange wird meine Zornesgier nach Rache nicht weichen und immer nur wachsen! Welche Raserei der Bestien, welche Skylla, welche Charybdis, die das ausonische und sizilische Meer einsaugt und prustend wieder ausspuckt, oder wird der titanische Ätna je von solcher Bedrohlichkeit erglühen? |
non rapidus amnis, non procellosum mare pontusue coro saeuus aut uis ignium adiuta flatu possit inhibere impetum irasque nostras: sternam et euertam omnIa. 415 Timuit Creontem ac bella Thessalici ducis? amor timere neminem uerus potest. sed cesserit coactus et dederit manus: adire certe et coniugem extremo alloqui sermone potuit++hoc quoque extimuit ferox; |
Kein reißender Fluss, kein stürmisches Meer, kein vom Nordwestwind stürmisches Meer und keine Kraft der Flammen, die vom Luftstrom angefacht wird, kann meinen Angriff und meinen Zorn aufhalten: ich breite alles aus und plane sorgfältig. Fürchtete er den Creo wie die Kriege des thessalischen Führers? Wahre Liebe kann niemanden fürchten! Aber er gab nach und heiratete sie unter Zwang: sicher konnte er kommen und ein letztes Wort an die Frau richten – auch dies fürchtete der ach so Tapfere! |
420 laxare certe tempus immitis fugae genero licebat++liberis unus dies datus est duobus. non queror tempus breue: multum patebit. faciet hic faciet dies quod nullus umquam taceat++inuadam deos 425 et cuncta quatiam. Nvt. Recipe turbatum malis, era, pectus, animum mitiga. Me. Sola est quies, mecum ruina cuncta si uideo obruta: mecum omnia abeant. trahere, cum pereas, libet. Nvt. Quam multa sint timenda, si perstas, uide: 430 nemo potentes aggredi tutus potest. |
Es wäre ihm als Schwiegersohn sicher möglich gewesen, die Frist für die unsanfte Flucht zu lockern; ein Tag ist mir gegeben für zwei Kinder! Ich klage nicht über die kurze Zeit: vieles wird mir offenstehen. Jener Tag wird das tun, was keiner jemals verschweigen kann; ich attackiere Götter und zerschlage alle Dinge. Am. Zügle deine von den Übeln aufgewühlte Brust, Gebieterin, und beruhige dich! Me. Ruhe gibt es nur, wenn ich alles, gemeinsam mit mir, zerstört sehe. Alles soll mit mir vergehen! Wenn du vergehst, nimmst du gern alles mit! Am. Sieh doch, wie viele Dinge man fürchten muss, wenn du verharrst: niemand, der die Mächtigen angreift, kann sicher sein! |
Jason erscheint und fühlt sich Medea gegenüber schuldig. Er hat Creos Tochter nur geheiratet, weil er seine Kinder vor dem Tode schützen wollte; das will er Medea erklären und versuchen, sich mit ihr etwas auszusprechen. Medea allerdings ist nicht in der Stimmung, sich Jasons Entschuldigungen anzuhören, sondern zählt ihm noch einmal auf, was sie alles für ihn getan hat.
Darauf rechtfertigt sich auch Jason: letztlich hat er Creusea nur geheiratet, um die gemeinsamen Kinder zu beschützen. Medea versucht nochmals, ihn zu einer gemeinsamen Flucht zu bewegen, aber sie scheitert an Jasons politischen Bedenken. Schließlich fordert sie von ihm, dass sie ihre Kinder auf die Flucht mitnehmen darf – schließlich steht ihm doch offen, mit Creusea selbst wieder Kinder zu bekommen. Doch auch das lehnt Jason ab.
Hinweis: die Überlieferung des Textes scheint in diesem Abschnitt teilweise korrupt, wenn man den wissenschaftlichen Bearbeitungen glauben darf. Ich folge hier einfachheits- und urheberrechtshalber der Version, die auf TheLatinLibrary vorliegt. Andere Ausgaben nehmen teils deutliche Änderungen in der Textreihenfolge bei den Versen 475-490 vor.
Iason O dura fata semper et sortem asperam, cum saeuit et cum parcit ex aequo malam! remedia quotiens inuenit nobis deus periculis peiora: si uellem fidem 435 praestare meritis coniugis, leto fuit caput offerendum; si mori nollem, fide misero carendum. |
Oh dieses immer harte Schicksal und dieses bittere Los, ob es wütet und ob es uns schont, so oder so ist es schlecht! So oft ein Gott für uns Gegenmittel gegen die Gefahren bringt, ist es nur noch schlimmer: wenn ich meiner verdienten Frau meine Treue erweisen gewollt hätte, wäre mein Kopf dem Tode geweiht gewesen; wenn ich nicht sterben wollte, musste es mir Armem an Treue fehlen. |
non timor uicit fidem, sed trepida pietas: quippe sequeretur necem proles parentum. sancta si caelum incolis 440 Iustitia, numen inuoco ac testor tuum: nati patrem uicere. quin ipsam quoque, etsi ferox est corde nec patiens iugi, consulere natis malle quam thalamis reor. constituit animus precibus iratam aggredi++ |
Nicht Furcht besiegte die Treue, sondern die angstvolle Zuneigung: da ja die Kinder dem Tod der Eltern hätten folgen müssen. Heilige Gerechtigkeit, wenn du im Himmel wohnen solltest, ruf ich deine Macht an und schwöre: Die Kinder haben den Vater besiegt. Ja sogar Medea hat, obgleich sie ein wildes Herz hat und kein Joch über sich dulden würde, sich lieber um die Kinder sorgen wollen als um die Ehe, so meine ich. Mein Herz hat beschlossen, sich der Zornigen mit Bitten zu nähern. |
445 atque ecce, uiso memet exiluit, furit, fert odia prae se: totus in uultu est dolor. Me. Fugimus, Iason, fugimus++hoc non est nouum, mutare sedes; causa fugiendi noua est: pro te solebam fugere++discedo, exeo, 450 penatibus profugere quam cogis tuis. ad quos remittis? Phasin et Colchos petam patriumque regnum quaeque fraternus cruor perfudit arua? quas peti terras iubes? quae maria monstras? Pontici fauces freti 455 per quas reuexi nobilem regum manum adulterum secuta per Symplegadas? |
Aber schau, kaum dass sie mich gesehen hat, springt sie auf, tobt, trägt ihren Hass vor sich her: auf dem Gesicht trägt sie tiefe Trauer. Me. Wir flohen, Jason, und jetzt fliehe ich – das ist nichts Neues, die Wohnsitz zu wechseln; aber der Grund für die Fluht ist ein neuer: bisher bin ich für dich geflohen; ich gehe, ich verschwinde, weil du mich zwingst, aus deiner Heimat zu flüchten. Und wohin schickst du mich? Zu Phasis und nach Colchis soll ich wohl reisen und in das väterliche Königreich, in dessen Gilden meines Bruders Blut vergossen wurde? Welches Land zu bereisen befiehlst du nun? Welche Meere willst du mir zeigen? Vielleicht die Schlünde des schwarzen Meeres, durch die ich fuhr, als ich deinem noblen, königlichen brüchigen Ehegelübde durch die Symplegaden gefolgt bin? |
patruamne Iolcon, Thessala an Tempe petam? quascumque aperui tibi uias, clausi mihi++ quo me remittis? exuli exilium imperas 460 nec das. eatur. regius iussit gener: nihil recuso. dira supplicia ingere: merui. cruentis paelicem poenis premat regalis ira, uinculis oneret manus clausamque saxo noctis aeternae obruat: |
Soll ich deine Vaterstadt Iolkos bereisen, oder das thessalische Tempe? Welche Wege auch immer ich dir eröffnete, für mich verschloss ich sie. Wohin schickst du mich? Einer Exilantin befiehlt man ein Exil, man schenkt’s ihr nicht. Man sollte gehen. Der königliche Schwiegersohn hat es befohlen: ich widerspreche nicht. Erlege mir schwere Strafen auf: ich habe sie verdient. Mag der königliche Zorn mich, die Erstfrau, mit Strafen bedrücken und meinen Händen Fesseln anlegen und mich hinter einem Fels in ewiger Nacht einsperren: |
465 minora meritis patiar++ingratum caput, reuoluat animus igneos tauri halitus interque saeuos gentis indomitae metus armifero in aruo flammeum Aeetae pecus, hostisque subiti tela, cum iussu meo 470 terrigena miles mutua caede occidit; adice expetita spolia Phrixei arietis somnoque iussum lumina ignoto dare insomne monstrum, traditum fratrem neci et scelere in uno non semel factum scelus, 475 ausasque natas fraude deceptas mea secare membra non reuicturi senis: [aliena quaerens regna, deserui mea] |
weniger als verdient dürfte ich ertragen; dein undankbarer Verstand, deine Seele möge sich an den Flammenatem des Stiers erinnern, und an die wilden Völker, vor denen man sich ungehemmt fürchtet, und an die flammende Herde auf dem waffentragenden Acker des Aetes, und an die Waffen der plötzlichen Feinde, als auf meinen Befehl die erdgeborenen Soldaten sich gegenseitig niedermetzelten; füge die geforderte Beute des phrixischen Widders hinzu, und das ruhelose Monster, dem ich befahl, die Augen mit unbekanntem Schlaf zu trüben, füge noch hinzu, dass der ausgelieferte Bruder getötet wurde und mit diesem Verbrechen nicht nur ein einziges begangen wurde und außerdem die Töchter, die getäuscht durch meinen Betrug es wagten, die Glieder des alten Mannes zu zerstückeln, der nicht mehr leben würde: Um Fremde Reiche zu finden, verließ ich die meinen. |
per spes tuorum liberum et certum larem, per uicta monstra, per manus, pro te quibus 480 numquam peperci, perque praeteritos metus, per caelum et undas, coniugi testes mei, miserere, redde supplici felix uicem. ex opibus illis, quas procul raptas Scythae usque a perustis Indiae populis agunt, 485 quas quia referta uix domus gazas capit, ornamus auro nemora, nil exul tuli nisi fratris artus: hos quoque impendi tibi; tibi patria cessit, tibi pater frater pudor++ hac dote nupsi. redde fugienti sua. |
Bei der Hoffnung deiner Kinder und bei dem sicheren Lar, bei den besiegten Ungeheuern, bei den Händen, die ich für dich niemals schonte, und bei den durchgestandenen Ängsten, bei Himmel und Wellen, Zeugen meines Ehebundes, erbarme dich, Glücklicher, gib der Unterwürfigen eine Gegenleistung! Von jenen Reichtümern, welche von den Scythen in der Ferne geraubt wurden – bis hin zu den verbrannten Völkern Indiens trieben sie das -, und weil das Haus kaum all diese angeschafften Schätze aufnehmen kann, schmücken wir sogar unsere Bäume mit Gold; nichts davon nahm ich mit außer den Gliedern des Bruders, und auch die gingen für dich drauf. Für dich verließen mich Vaterland und Vater, mein Bruder und mein Stolz. Mit dieser Mitgift heiratete ich. Gib es der Flüchtenden nun zurück. |
490 Ia. Perimere cum te uellet infestus Creo, lacrimis meis euictus exilium dedit. Me. Poenam putabam: munus, ut uideo, est fuga. Ia. Dum licet abire, profuge teque hinc eripe: grauis ira regum est semper. Me. Hoc suades mihi, 495 praestas Creusae: paelicem inuisam amoues. Ia. Medea amores obicit? Me. Et caedem et dolos. Ia. Obicere crimen quod potes tandem mihi? Me. Quodcumque feci. Ia. Restat hoc unum insuper, tuis ut etiam sceleribus fiam nocens. |
Ia. Obwohl der feindselige Creo dich töten wollte, gab er dir das Exil, weil ich ihn mit meinen Tränen überredete. Me. Ich hielt es für eine Strafe: ich sehe, diese Flucht ist ein Geschenk. Solange es dir freisteht, zu gehen, geh und verschwinde von hier! Der Zorn der Könige ist immer groß. Me. Das rätst du mir, du wartest der Creusea auf – beseitige dieses verhaßte Miststück! Ia. Medea wirft mir Liebschaften vor? Me. Und Mord und Intrigen! Ia. Welchen Vorwurf kannst du mir schon machen? Me. Alles, was ich tat! Ia. Das bleibt noch obendrein, dass ich auch an deinen Verbrechen schuldig werden soll. |
500 Me. Tua illa, tua sunt illa: cui prodest scelus, is fecit++omnes coniugem infamem arguant, solus tuere, solus insontem uoca: tibi innocens sit quisquis est pro te nocens. Ia. Ingrata uita est cuius acceptae pudet. 505 Me. Retinenda non est cuius acceptae pudet. Ia. Quin potius ira concitum pectus doma, placare natis. Me. Abdico eiuro abnuo++ meis Creusa liberis fratres dabit? Ia. Regina natis exulum, afflictis potens. |
Me. Es sind doch deine, nur deine sind es: wem das Verbrechen nützt, der hat es auch begangen! Alle reden über die schimpfliche Ehefrau, also schütz du wenigstens mich, nenn du mich wenigstens schuldlos! Für dich sollte unschuldig sein, wer deinetwegen schuldig geworden ist! Ia. Wer sich für empfangenes Leben schämt, dem ist es nicht willkommen. Me. Wer sich für empfangenes Leben schämt, muss es nicht behalten! Ia. Achwas, zähme deine zornerregte Brust, beruhige dich um der Kinder willen! Me. Ich leugne sie, ich schwöre ihnen ab, ich weigere mich! Soll etwa Creusea meinen Kindern Brüder gebären? Ia. Nein, aber die mächtige Königin den schwachen Kindern der Exilanten! |
510 Me. Ne ueniat umquam tam malus miseris dies, qui prole foeda misceat prolem inclitam, Phoebi nepotes Sisyphi nepotibus. Ia. Quid, misera, meque teque in exitium trahis? abscede, quaeso. Me. Supplicem audiuit Creo. Ia. Quid facere possim, loquere. Me. Pro me uel scelus. Ia. Hinc rex et illinc++Me. Est et his maior metus Medea. nos ~confligere. certemus sine, sit pretium Iason. Ia. Cedo defessus malis. et ipsa casus saepe iam expertos tiMe. |
Me. Jener schlimme Tag möge für die Armen niemals kommen, der diese berühmten Abkömmlinge mit der schlammblütigen Brut vermischt, die Enkel des Phoebus mit den Enkeln des Sisyphus. Ia. Was ziehst du mich mit dir ins Verderben, du Erbärmliche? Geh, ich bitte dich! Me. Creo half dem Bittflehenden. Ia. Sag mir, was ich tun kann! Me. Vielleicht ein Verbrechen für mich? Ia. Hier und dort ein König. Me. Und es ist noch ein größerer Schrecken als die: Medea! Reize mich! Lass es zu, lass uns kämpfen, der Preis sei Jason! Ia. Ich gehe, ich bin müde von all den Übeln. Und du selbst, fürchte die Taten, die du schon oft versucht hast. |
520 Me. Fortuna semper omnis infra me stetit. Ia. Acastus instat. Me. Propior est hostis Creo: utrumque profuge. non ut in socerum manus armes nec ut te caede cognata inquines Medea cogit: innocens mecum fuge. 525 Ia. Et quis resistet, gemina si bella ingruant, Creo atque Acastus arma si iungant sua? Me. His adice Colchos, adice et Aeeten ducem, Scythas Pelasgis iunge: demersos daBo. Ia. Alta extimesco sceptra. Me. Ne cupias uide. 530 Ia. Suspecta ne sint, longa colloquia amputa. |
Me. Fortuna stand immer ganz auf meiner Seite. Ia. Acastus ist dir auf den Fersen! Me. Der Feind Creo ist näher: fliehe vor beiden! Nicht, dass du gegen den Schwiegervater deine Hände bewaffnen und nicht, dass du dich durch ein Gemetzel an der Verwandten befleckst, zwingt die Medea dich: Fliehe unschuldig mit mir! Ia. Und wer bleibt zurück, wenn gleich zwei Kriege hereinbrechen, wenn Creo und Acastus ihre Waffen verbünden? Me. Die Colcher füge denen noch hinzu, und den Führer Aetes, und verbünde die Skythen mit den Pelasgern: die werd ich auch vernichten. Ia. Die hohen Szepter fürchte ich sehr. Me. Sieh zu, dass du sie nicht willst. Ia. Damit es keine Verdächtigungen gibt, kürze die lange Rede! |
Me. Nunc summe toto Iuppiter caelo tona, intende dextram, uindices flammas para omnemque ruptis nubibus mundum quate. nec deligenti tela librentur manu 535 uel me uel istum: quisquis e nobis cadet nocens peribit, non potest in nos tuum errare fulmen. Ia. Sana meditari incipe et placida fare. si quod ex soceri domo potest fugam leuare solamen, pete. 540 Me. Contemnere animus regias, ut scis, opes potest soletque; liberos tantum fugae habere comites liceat, in quorum sinu lacrimas profundam. te noui gnati manent. Ia. Parere precibus cupere me fateor tuis; 545 pietas uetat: namque istud ut possim pati, non ipse memet cogat et rex et socer. haec causa uitae est, hoc perusti pectoris curis leuamen. spiritu citius queam carere, membris, luce. |
Me. Nun, größter Juppiter, donnere am ganzen Himmel, strecke deine rechte Hand aus, bereite die rächenden Flammen vor, und wenn alle Wolken aufbrechen, dann schlag auf die Welt ein! Und die Geschosse mögen von geschickter Hand gelenkt werden, entweder auf mich, oder auf ihn: wer auch immer von uns fällt der wird schuldig vergehen, dein Blitz kann bei uns nicht danebentreffen. Ia. Beginn nun, vernünftig zu denken und ruhig zu reden. Wenn dir ein Trostmittel aus dem Haus des Schwiegervaters die Flucht erleichtern kann, dann fordere es! Me. Mein Herz kann die königlichen Schätze, wie du weißt, verachten – und tut es meistens. Die Kinder als Gefährten zu haben, möge bei einer solchen Flucht erlaubt sein, an deren Brust ich Tränen vergießen kann. Dir bleiben ja neue Kinder. Ia. Ich gestehe, dass ich deinen Bitten gerne gehorchen würde; aber mein Anstand verbietet es: denn dass ich dies ertragen könnte, kann mich nicht einmal der König und Schwiegervater selbst zwingen. Dieser ist der Grund, warum ich lebe, und diese Erleichterung heilt meine verbrannte Brust. Lieber könnte ich auf Atem, Glieder oder Licht verzichten. |
Während Medea nach Rache sinnt, hat Jason sie in dem Gespräch auf eine zündende Idee gebracht. Die beiden trennen sich nach ihrem Streit, sodass Medea wieder mit ihrer Amme allein ist.
Medea gibt sogleich Anweisungen, was zu tun ist: sie will der neuen Gattin Jasons, der Creusea, über ihre Kinder eines ihrer Schmuckstücke schenken lassen; doch das soll vorher vergiftet werden.
Me. Sic natos amat? 550 bene est, tenetur, uulneri patuit locus.++ Suprema certe liceat abeuntem loqui mandata, liceat ultimum amplexum dare: gratum est. et illud uoce iam extrema peto, ne, si qua noster dubius effudit dolor, 555 maneant in animo uerba: melioris tibi memoria nostri sedeat; haec irae data oblitterentur. Ia. Omnia ex animo expuli precorque et ipse, feruidam ut mentem regas placideque tractes: miserias lenit quies. |
Me. So sehr liebt er die Kinder? Das ist schön, das ist verstanden, eine Möglichkeit, ihn zu verwunden, hat er gezeigt. Es soll mir, der Gehenden, sicher erlaubt sein, einen letzten Befehl zu sprechen, es soll mir erlaubt sein, ihnen noch eine Umarmung zu geben: das wäre allerliebst. Und dies fordere ich mit meinen letzten Worten, dass keine Worte dir im Gedächtnis bleiben, wenn mein ungewisser Schmerz etwas ausstieß: dir soll meine bessere Seite in Erinnerung bleiben; das, was der Zorn gegeben hat, sei ausgelöscht. Ia. Es ist alles aus meinem Herzen verbannt, und ich selbst bitte darum, dass du den brodelnden Geist beruhigst und ihn friedlich stimmst: die Ruhe mildert das Elend. |
560 Me. Discessit. itane est? uadis oblitus mei et tot meorum facinorum? excidimus tibi? numquam excidemus. hoc age, omnis aduoca uires et artes. fructus est scelerum tibi nullum scelus putare. uix fraudi est locus: 565 timemur. hac aggredere, qua nemo potest quicquam timere. perge, nunc aude, incipe quidquid potest Medea, quidquid non potest. |
Me. Er ist gegangen. Ist es nicht so? Du gehst, und du hast mich vergessen und all meine so vielen Verbrechen? Du hast mich vergessen? Niemals wirst du mich vergessen! Tu dies, rufe all deine Kräfte und Künste zu dir. Die Lehre der Verbrechen ist für dich zu denken, es sei keins gewesen. Doch es ist kaum Gelegenheit für meinen Plan: ich werde gefürchtet. Deswegen setze da an, wo niemand irgendetwas befürchten kann. Weiter, nun wage es, beginn das, was Medea kann, und was sie nicht kann! |
Tu, fida nutrix, socia maeroris mei uariique casus, misera consilia adiuua. 570 est palla nobis, munus aetheriae domus decusque regni, pignus Aeetae datum a Sole generis, est et auro textili monile fulgens quodque gemmarum nitor distinguit aurum, quo solent cingi comae. 575 haec nostra nati dona nubenti ferant, sed ante diris inlita ac tincta artibus. uocetur Hecate. sacra letifica appara: statuantur arae, flamma iam tectis sonet. |
Du, treue Amme, Genossin in meiner Trauer und in meinem wankelmütigen Schicksal, unterstütze meine kläglichenPläne! Ich besitze einen Mantel, das Geschenk des Himmels und den Schmuck des Königreichs, welcher als Pfand der Familie dem Aetes von Sol gegeben wurde, und ein aus Gold gewebtes schimmerndes Halsband, und eine goldene Spange, welche der Glanz der Edelsteine auszeichnet, von dem üblicherweise meine Haare bekränzt werden. Dies mögen die Kinder der Braut als mein Geschenk bringen, aber vorher will ich es in die grausigen Künste tauchen und damit bestreichen. Hecate soll gerufen werfen! Ein erfreuliches Opfer möge erscheinen: der Altar soll aufgestellt werden, die Flamme soll unter dem Dach rauschen! |
Chorvs Nulla uis flammae tumidiue uenti 580 tanta, nec teli metuenda torti, quanta cum coniunx uiduata taedis ardet et odit; non ubi hibernos nebulosus imbres Auster aduexit properatque torrens 585 Hister et iunctos uetat esse pontes ac uagus errat; non ubi impellit Rhodanus profundum, aut ubi in riuos niuibus solutis sole iam forti medioque uere 590 tabuit Haemus. |
Keine Kraft des Feuers oder Macht des rauschenden Windes, noch die Gewalt des gewundenen Speers muss man so sehr fürchten, wie wenn eine verstoßene Ehefrau vor Wut glüht und hasst; nicht so sehr, wie wenn der neblige Südwind den winterlichen Regen herbeibringt, oder wenn die rauschende Donau daherströmt und den Brückenbau verhindert, und unstet umherirrt; nicht so sehr, wie wenn die Rhone in die Tiefe stößt, oder wenn der große Balkan, nachdem sich der Schnee aufgelöst hat, zu Flüssen zerschmilzt unter der bereits starken Sonne und mitten im Frühling. |
caecus est ignis stimulatus ira nec regi curat patiturue frenos aut timet mortem: cupit ire in ipsos obuius enses. 595 Parcite, o diui, ueniam precamur, uiuat ut tutus mare qui subegit. sed furit uinci dominus profundi regna secunda. |
Bild ist das vom Zorn angestachelte Feuer und lässt sich nicht beherrschen und duldet keine Zügel und fürchtet den Tod nicht: es will sich von selbst in die Schwerter stürzen. Schont Jason, oh Götter, wir flehen um Gnade, und darum, dass er sicher lebe, der sich das Meer untertan machte. Aber es wütet der Herr der Tiefe darüber, dass die zweiten Reiche besiegt werden. |
ausus aeternos agitare currus 600 immemor metae iuuenis paternae quos polo sparsit furiosus ignes ipse recepit. constitit nulli uia nota magno: uade qua tutum populo priori, 605 rumpe nec sacro uiolente sancta foedera mundi. |
Ein Jugendlicher wagt es, die ewigen Wägen zu fahren ohne auf die Grenzen, die der Vater vorschrieb, zu achten, und die Flammen, die er wild zum Nordstern spritzt, erleidet er selbst. Der bekannte Weg kostet keinen großen Preis: geh, wo es für das Volk früher schon sicher war, und breche die heiligen Verträge der Welt nicht durch verfluchte Gewalttat. |
Quisquis audacis tetigit carinae nobiles remos nemorisque sacri Pelion densa spoliauit umbra, 610 quisquis intrauit scopulos uagantes et tot emensus pelagi labores barbara funem religauit ora raptor externi rediturus auri, exitu diro temerata ponti 615 iura piauit. |
Wer auch immer die edlen Ruder des Schiffes kühn berührte und die dichten Schatten des heiligen Waldes auf dem Pelion raubte, wer auch immer die wandernden Klippen betrat und so oft die Mühen des Meeres durchmaß, das Tau an barbarischer Küste festband um als Räuber fremden Goldes zurückzukehren, der sühnte mit einem bitteren Ende die Verletzung der Gesetze des Meeres. |
Exigit poenas mare prouocatum: Tiphys, in primis domitor profundi, liquit indocto regimen magistro; litore externo, procul a paternis 620 occidens regnis tumuloque uili tectus ignotas iacet inter umbras. Aulis amissi memor inde regis portibus lentis retinet carinas stare querentes. |
Ein gereiztes Meer bringt Strafen: Tiphys, der erste Bezwinger des Meeres, überließ dem unbelehrten Lehrer das Steuer; an fremdem Strand, fern von den väterlichen Reichen, starb er, wurde von einem billigen Hügel bedeckt und liegt zwischen fremden Schatten. Aulis denkt an den verlorenen König und hält im sicheren Hafen die Schiffe zurück, die das Verharren beklagen. |
625 Ille uocali genitus Camena, cuius ad chordas modulante plectro restitit torrens, siluere uenti, cui suo cantu uolucris relicto adfuit tota comitante silua, 630 Thracios sparsus iacuit per agros, at caput tristi fluitauit Hebro: contigit notam Styga Tartarumque, non rediturus. |
Jener Nachkomme der klangvollen Camena, bei dessen Akkorden, mit der Laute gespielt, der Fluss stehen blieb, die Winde schwiegen, zu dem der Vogel kam, und mit seinem Gesang verstummte, und der ganze Wald begleitete ihn, jener Nachkomme liegt zerstückelt auf den thrakischen Äckern. Aber der Kopf floss zum traurigen Hebrus: er berührte die bekannte Styx und den Tartaros, er wird nicht zurückkommen. |
Strauit Alcides Aquilone natos, 635 patre Neptuno genitum necauit sumere innumeras solitum figuras: ipse post terrae pelagique pacem, post feri Ditis patefacta regna uiuus ardenti recubans in Oeta 640 praebuit saeuis sua membra flammis tabe consumptus gemini cruoris, munere nuptae. |
Herkules streckt die Söhne des Aquilo nieder, tötete den Sohn des Vaters Neptun, der es gewohnt war, unzählige Gestalten anzunehmen: nach dem Frieden zwischen Erde und Meer, nach der Öffnung des Reiches des wilden Dis, legte er sich lebendig auf das brennende Oeta-Gebirge und gewährte den wilden Flammen seinen Leib, verzehrt von der zweigestaltigen Krankheit des Blutes, dem Geschenk der Ehefrau. |
Strauit Ancaeum uiolentus ictu saetiger; fratrem, Meleagre, matris 645 impius mactas morerisque dextra matris iratae: meruere cuncti++ morte quod crimen tener expiauit Herculi magno puer inrepertus, raptus, heu, tutas puer inter undas? 650 ite nunc, fortes, perarate pontum fonte timendo. |
Der gewaltige Eber streckte den Ancaeus mit einem Stoß nieder; den Bruder der Mutter opferst du, Meleagros, und stirbst durch die rechte Hand der erzürnten Mutter: sie alle verdienten es. Was für ein Verbrechen büßte der zarte Sohn, den der große Herkules nicht fand, ach, der Knabe, der fortgerissen wurde zwischen den sicheren Wellen? Geht nun, ihr Tapferen, durchpflügt das Meer wenn man auch die Quelle fürchten muss. |
Idmonem, quamuis bene fata nosset, condidit serpens Libycis harenis; omnibus uerax, sibi falsus uni 655 concidit Mopsus caruitque Thebis. ille si uere cecinit futura, exul errabit Thetidis maritus; 661 fulmine et ponto moriens Oilei 660a * * * patrioque pendet 660b crimine poenas. |
Den Idmon kannte das Schicksal zwar gut, dennoch begrub ihn die Schlange im Sand Lybiens; bei allen wahrhaft, bei sich selbst falsch stürzte der Mopsus und sehnte sich nach Theben. Wenn jener wahrhaftig die Zukunft voraussagte, dann wird der Ehemann der Thetis als Exilant umherirren; und an Blitz und Meer stirbt der Ajax Oileus und er wird Strafe zahlen für das Verbrechen des Vaters. |
658 Igne fallaci nociturus Argis Nauplius praeceps cadet in profundum; 662 coniugis fatum redimens Pheraei uxor impendes animam marito. ipse qui praedam spoliumque iussit 665 aureum prima reuehi carina [ustus accenso Pelias aeno] arsit angustas uagus inter undas. Iam satis, diui, mare uindicastis: parcite iusso. |
Der Nauplius, der den Griechen durch trügerisches Feuer schaden würde, fällt kopfüber in die Tiefe. Das Schicksal des pheräischen Ehemanns erkaufst du, Gattin, und zahlst dein Leben für das des Mannes. Der, der befahl, dass die Beute und das goldene Vlies auf dem ersten Schiff zurückgebracht werden sollte, der verbrannte im kochenden Kessel, der Pelias, der kochte, in den beengten Wellen treibend. Zur Genüge habt ihr das Meer gerächt, Götter, schont den Beauftragten! |
Medeas Amme beobachtet und schildert das Tun ihres Zöglings: Medea begibt sich in einen geweihten Raum, wo sie zunächst Schlangen – irdische und dämonische – beschwört, um daraus Gift zu gewinnen. Dann lässt sie einige Geister die verschiedensten Kräuter beschaffen, welche als Giftpflanzen an mythologisch geladenen Orten gewachsen sind. Schließlich vermischt sie diese Gifte zunächst ganz profan mit alchemistischen Methoden. Dazu kommen die Klassiker jedes guten Märchengiftes: zerstückelte Vögel, die bei lebendigem Leibe ausgenommen wurden. Schließlich spricht Medea noch einen Zauberfluch über ihren Giftcocktail aus.
Nvtrix Pauet animus, horret: magna pernicies adest. immane quantum augescit et semet dolor accendit ipse uimque praeteritam integrat. uidi furentem saepe et aggressam deos, caelum trahentem: maius his, maius parat 675 Medea monstrum. namque ut attonito gradu euasit et penetrale funestum attigit, totas opes effundit et quidquid diu etiam ipsa timuit promit atque omnem explicat turbam malorum, arcana secreta abdita, 680 et triste laeua comparans sacrum manu pestes uocat quascumque feruentis creat harena Libyae quasque perpetua niue Taurus coercet frigore Arctoo rigens, et omne monstrum. tracta magicis cantibus 685 squamifera latebris turba desertis adest. hic saeua serpens corpus immensum trahit trifidamque linguam exertat et quaerit quibus mortifera ueniat: carmine audito stupet tumidumque nodis corpus aggestis plicat 690 cogitque in orbes. |
Amme Meine Seele fürchtet sich, zittert: der große Untergang ist da. Wie unermesslich vergrößert sich der Schmerz und entzündet sich selbst und erneuert seine frühere Macht. Ich sah sie schon oft wüten, Götter angreifen, den Himmel beherrschen: ein größere Ungeheuerlichkeit als jene Dinge bereitet Medea vor. Denn sobald sie mit donnerndem Schritt herauseilt und das unheilverkündende Gemach erreicht hat, breitet sie ihre ganze Kunst aus und was auch immer sie lange selbst fürchtete, spricht sie nun aus und breitet die ganze Schar der Übel aus, die geheimen, verborgenen, düsteren Dinge, und in der traurigen linken Hand hält sie den Opferdolch und ruft alle die bösen Geister, welche der Sand des heißen Libyens hervorgebracht hat und welche das Taurusgebirge, das von arktischer Kälte zittert, umschließt, und jedes Unheil. Die durch magische Gesänge beschwörte Schuppentierschar aus den Schlupfwinkeln der Wüste ist da. Jene wilde Schlange schleppt einen riesigen Leib mit sich und streckt die dreigespaltene Zunge heraus und sucht, zu wem sie als Todbringerin kommen kann: als sie das Zauberlied hört, stockt sie und wickelt den gedrungenen Körper in vielen Knoten zusammen und zwingt ihn in Rundungen. |
‚Parua sunt‘ inquit ‚mala et uile telum est, ima quod tellus creat: caelo petam uenena. iam iam tempus est aliquid mouere fraude uulgari altius. huc ille uasti more torrentis patens 695 descendat anguis, cuius immensos duae, maior minorque, sentiunt nodos ferae (maior Pelasgis apta, Sidoniis minor), pressasque tandem soluat Ophiuchus manus uirusque fundat; adsit ad cantus meos 700 lacessere ausus gemina Python numina, et Hydra et omnis redeat Herculea manu succisa serpens caede se reparans sua. |
Sie spricht: „Ein kleines Übel ist es und eine billige Waffe, welche die tiefe Erde erschafft: ich fordere das Gift des Himmels! Jetzt ist die Zeit, etwas in Bewegung zu setzen, das weiter reicht als gewöhnlicher Betrug. Hierher möge jene Schlange herabsteigen, welche nach der Art des wüsten Feuers anzusehen ist, davon zwei Wilde, eine größere und eine kleinere, und die sollen die riesigen Knoten spüren, (die größere ist für die Pelasger, die kleinere für die Sidonier geeignet) und der Schlangenträger möge endlich die verkrampften Hände lösen und das Gift vergießen; meinen Liedern stehe die Pythonschlange bei, welche die zwillingshafte Gottheit zu reizen wagt, und die Hydra und jede Schlange möge herkommen, die von Herkules‘ Hand zerschlagen wurde und sich von ihrem Tode erholt. |
tu quoque relictis peruigil Colchis ades, sopite primum cantibus, serpens, meis.‘ 705 Postquam euocauit omne serpentum genus, congerit in unum frugis infaustae mala: quaecumque generat inuius saxis Eryx, quae fert opertis hieme perpetua iugis sparsus cruore Caucasus Promethei, 711 et quis sagittas diuites Arabes linunt 710 pharetraque pugnax Medus aut Parthi leues, 712 aut quos sub axe frigido sucos legunt lucis Suebae nobiles Hyrcaniis; quodcumque tellus uere nidifico creat 715 aut rigida cum iam bruma decussit decus nemorum et niuali cuncta constrinxit gelu, quodcumque gramen flore mortifero uiret, dirusue tortis sucus in radicibus causas nocendi gignit, attrectat manu. |
Auch du, immer wachende Schlange, steh bei, wenn du die Colcher verlassen hast, wenn du erst durch meinen Zaubergesang schläfrig wirst. Nachdem sie alle Geschlechter der Schlangen beschworen hat, sammelt sie auf einem Haufen alle Üblen der unglückbringenden Gewächse: alle, welche die Eryx auf ihrem unwegsamem Stein erzeugt, welche der Caucasus im ewigen Winter auf seinem offenen Gipfel, das Blut des Prometheus vergießend, hervorbringt, und mit welchen die reichen Araber auf ihre Pfeile bestreichen und die Bogenschützenkrieger, der gewandte Meder oder der Parther, oder welche die Sueberinnen unter dem eisigen Himmelsgestirn an edlen Säften in hyrkanischen Hainen sammeln; was auch immer die Erde im nesterbauenden Frühling schafft oder die eisige Erde, wenn die Wintersonnenwende den Schmuck der Bäume schon herabgeschüttelt hat und in der Schneekälte alles festgefroren hat, und was auch immer für ein Gewächs von todbringender Blüte grünt, oder welcher Saft in gebogenen Wurzeln auch immer für schädliche Mittelchen erzeugt, das ergreift sie mit der Hand. |
720 Haemonius illas contulit pestes Athos, has Pindus ingens, illa Pangaei iugis teneram cruenta falce deposuit comam; has aluit altum gurgitem Tigris premens, Danuuius illas, has per arentis plagas 725 tepidis Hydaspes gemmifer currens aquis, nomenque terris qui dedit Baetis suis Hesperia pulsans maria languenti uado. |
Der Haemonier Athos trägt jene zusammen, und der ungeheure Pindus diese, diese da wiederum verloren auf dem Gipfel des Pangaeus durch grausame Sichel den sanften Trieb; jene ernährte der tiefen Strudel drückende Fluss Tigris, jene der Fluss Donau, diese der Fluss Hydaspes, der edelsteingeschmückt mit lauwarmem Wasser die dürren Landstriche durchzieht, (und die letzten ernährte der) Baetis, der seinem Land den Namen gab, der schlaff in die hesperischen Meere fließt. |
haec passa ferrum est, dum parat Phoebus diem, illius alta nocte succisus frutex; 730 at huius ungue secta cantato seges. Mortifera carpit gramina ac serpentium saniem exprimit miscetque et obscenas aues maestique cor bubonis et raucae strigis exsecta uiuae uiscera. |
Jenes Gewächs litt unter eine Klinge, während der Phoebus den Tag vorbereitet, und dessen Staude wurde bei später Nacht aufgeschnitten; aber dessen Gewächs wurde mit geweihter Klaue zerschnitten. Sie ergreift die todbringenen Pflanzen und drückt den Saft der Schlangen hinaus und vermischt sie untereinander und mit garstigen Vögeln und mit dem Herz des traurigen Uhus und mit den Eingeweiden, die sie einer kreischenden Eule bei lebendigem Leibe herausgeschnitten hat. |
haec scelerum artifex 735 discreta ponit: his rapax uis ignium, his gelida pigri frigoris glacies inest. addit uenenis uerba non illis minus metuenda.++Sonuit ecce uesano gradu canitque. mundus uocibus primis tremit. |
Dieses legt der Fluchkünstler abgesondert beiseite: jenen wohnt die räuberische Kraft des Feuers, jenen die eisige Kälte des reglosen Frosts inne. Sie fügt dem Gift noch Zauberworte hinzu, eines so furchtbar wie das andere. Schau! Es knarrt von ihrem wütenden Schritt und sie singt. Die Welt erzittert vor den ersten Stimmenlauten. |
Medea wirkt nun ihren Fluch auf ihre Mordwerkzeuge: sie ruft die Götter um Unterstützung an, dass sie durch ihre Macht die „Geschenke“ für Creuseas Hochzeit verfluchen. Sie hat Erfolg; so lässt sie von der Amme die Kinder rufen, übergibt ihnen die verfluchte Haarspange und das vergiftete Brautkleid, und schickt sie zu Creusea. „Und die neue Braut soll den Fackelzug überstrahlen, indem sie selbst in Flammen steht.“ Medea ist kurz vor dem Ziel.
Medea Comprecor uulgus silentum uosque ferales deos et Chaos caecum atque opacam Ditis umbrosi domum, Tartari ripis ligatos squalidae Mortis specus. supplicis, animae, remissis currite ad thalamos nouos: rota resistat membra torquens, tangat Ixion humum, 745 Tantalus securus undas hauriat Pirenidas, [grauior uni poena sedeat coniugis socero mei] lubricus per saxa retro Sisyphum soluat lapis. |
Ich rufe die Schatten der Schweigsamen und euch, ihr Götter der Toten und das blinde Chaos und das düstere Haus des schattigen Dis, die Höhlen des rauhen Todes, die den Ufern des Tartaros verbunden sind. Lauft, nachdem die Strafen nachgelassen haben, zum neuen Ehebett, Seelen: Das Rad, das die Glieder zerquetscht, möge stehenbleiben, Ixion berühre den Boden, Tantalus möge sicher aus den pirenischen Wellen trinken, (eine schwerere Strafe erleide allein der Schwiegervater meines Mannes!) der rutschigeStein auf den Felsen möge den Sisyphus erlöse. |
uos quoque, urnis quas foratis inritus ludit labor, Danaides, coite: uestras hic dies quaerit manus.++ 750 nunc meis uocata sacris, noctium sidus, ueni pessimos induta uultus, fronte non una minax. Tibi more gentis uinculo soluens comam secreta nudo nemora lustraui pede et euocaui nubibus siccis aquas 755 egique ad imum maria, et Oceanus graues interius undas aestibus uictis dedit, |
Auch ihr, Danaiden, mit denen die erfolglose Arbeit an durchstochenen Gefäßen spielte, kommt mit: dieser Tag braucht eure Hände. Nun komme, durch meine Opfer gerufenes Gestirn der Nacht, angetan mit tiefbösem Antlitz, drohend mit verschiedenen Angesichtern. Deinetwegen löste ich das Haar nach der Sitte von der Fessel und durchstreifte mit nacktem Fuß die verborgenen Haine, und beschwor Wasser aus den trockenen Wolken und trieb die Meere zum Niedrigsten, und Oceanus zügelte die schweren Wellen, als seine Brandung besiegt war. |
pariterque mundus lege confusa aetheris et solem et astra uidit et uetitum mare tetigistis, ursae. temporum flexi uices: 760 aestiua tellus horruit cantu meo, coacta messem uidit hibernam Ceres; uiolenta Phasis uertit in fontem uada et Hister, in tot ora diuisus, truces compressit undas omnibus ripis piger; 765 sonuere fluctus, tumuit insanum mare tacente uento; nemoris antiqui domus amisit umbras uocis imperio meae.++ die relicto Phoebus in medio stetit, Hyadesque nostris cantibus motae labant: 770 adesse sacris tempus est, Phoebe, tuis. |
Und ebenso sah die Welt, als das Gesetz der Luft verworren war, Sonne und Sterne und das verbotene Meer habt ihr berührt, ihr Bären. Ich beugte die Wechsel der Zeit: die brennende Erde erstarrte von meinem Zaubergesang, die Ceres sah gezwungenermaßen die winterliche Ernte; Phasis wendet die gewaltigen Fluten zum Quell zurück und die Donau, geteilt in so viele Mündungen, schließt ihre wilden Wellen träge zwischen allen Ufern ein. Es grollten die Fluten, es schwoll das grimmige Meer an und der Wind schwieg; die Heimat des alten Hains verlor die Schatten auf den Befehl meiner StimMe. Nachdem der Tag zuende war, stand Phoebus in voller Mitte, und die Hyaden wankten bewegt durch meine Gesänge: Es ist an der Zeit, deinem Gottesdienst beizuwohnen, Phoebe. |
Tibi haec cruenta serta texuntur manu, nouena quae serpens ligat, tibi haec Typhoeus membra quae discors tulit, qui regna concussit Iouis. 775 uectoris istic perfidi sanguis inest, quem Nessus expirans dedit. Oetaeus isto cinere defecit rogus, qui uirus Herculeum bibit. piae sororis, impiae matris, facem 780 ultricis Althaeae uides. reliquit istas inuio plumas specu Harpyia, dum Zeten fugit. his adice pinnas sauciae Stymphalidos Lernaea passae spicula.++ 785 sonuistis, arae, tripodas agnosco meos fauente commotos dea. |
Für dich wird ein Kranz mit blutiger Hand geknüpft, welchen neun Schlangen verbinden, für dich diese Glieder, welche Typhoeus im Streit darbrachte, der die Herrschaft des Juppiter erschütterte. Hier ist das Blut des untreuen Trägers drin, das der Nessus aushauchend gab. Der Scheiterhaufen auf dem Berg Oeta schwand zu dieser Asche, die den Hercules wie ein Gift tränkte. Die Fackel der frommen Schwester, der unfrommen Mutter, der Rächerin Althaea siehst du. Die Federn hier ließ eine Harpyie in ihrer unwegsamen Höhle zurück, als sie vor Zetes floh. Füge diesen Dingen die Federn der Verletzten vom Symphalos hinzu, die an den lernaeischen Pfeilen starb. Du knarrst, Altar, und ich erkenne, dass meine Dreizacke bewegt werden von der geneigten Göttin. |
Video Triuiae currus agiles, non quos pleno lucida uultu pernox agitat, 790 sed quos facie lurida maesta, cum Thessalicis uexata minis caelum freno propiore legit. sic face tristem pallida lucem funde per auras, horrore nouo terre populos 795 inque auxilium, Dictynna, tuum pretiosa sonent aera Corinthi. |
Ich sehe die schnellen Wägen der Trivia, welche sie nicht mit voll leuchtendem Gesicht treibt, sondern die Nacht hindurch, und blass, mit trauriger Miene, weil sie gequält ist von thessalischen Drohungen, den Himmel mit ziemlich engem Zügel durcheilt. so lass, im Gesicht Bleiche, das traurige Licht durch die Lüfte strömen, ängstige die Völker mit neuen Schrecken und zu deiner Hilfe, Dictynna, mögen die kostbaren Erze Korinths erklingen. |
Tibi sanguineo caespite sacrum sollemne damus, tibi de medio rapta sepulcro 800 fax nocturnos sustulit ignes, tibi mota caput flexa uoces ceruice dedi, tibi funereo de more iacens passos cingit uitta capillos, tibi iactatur tristis Stygia 805 ramus ab unda, tibi nudato pectore maenas sacro feriam bracchia cultro. |
Dir geben wir das feierliche Opfer auf blutigem Rasen, für dich erhob die mitten aus dem Begräbnis geraubte Fackel die nächtlichen Flammen, dir gab ich die Stimmen, als ich den Kopf senkte und den Nacken beugte, für dich umgürtet die Priesterbinde, nach der Sitte eines Begräbnisses hängend, meine lockeren Haare, für dich wird der traurige Zweig von der Welle der Styx geschwungen, für dich steche ich mit nackten Brüsten wie eine Bacchantin den Opferdolch in meine ArMe. |
manet noster sanguis ad aras: assuesce, manus, stringere ferrum 810 carosque pati posse cruores++ sacrum laticem percussa dedi. Quodsi nimium saepe uocari quereris uotis, ignosce, precor: causa uocandi, Persei, tuos 815 saepius arcus una atque eadem est semper, Iason. |
Mein Blut bleibt auf dem Altar: Gewöhne dich, meine Hand, daran, das Schwert zu zücken und geliebtes Blut erdulden zu können. Heilige Flüssigkeit gab ich gestochen. Aber wenn du klagst, weil du zu oft gerufen wirst durch meine Bitten, vergib mir, ich bitte dich: der Grund, Perseus, warum ich deine Bögen so oft rief, ist immer ein und derselbe: Jason. |
Tu nunc uestes tinge Creusae, quas cum primum sumpserit, imas urat serpens flamma medullas. 820 Ignis fuluo clusus in auro latet obscurus, quem mihi caeli qui furta luit uiscere feto dedit et docuit condere uires arte, Prometheus; dedit et tenui 825 sulphure tectos Mulciber ignes, et uiuacis fulgura flammae de cognato Phaethonte tuli. |
Nun tauche du Creuseas Kleid ein; sobald sie es zum ersten Mal berührt, möge die Schlangenflamme ihr die innersten Eingeweide verbrennen. In rötlichem Gold eingeschlossen lauert verborgen das Feuer, welches mir der gab, der nun den Diebstahl im Himmel sühnt, indem seine Leber die Geier füttert, und der lehrte, die Fähigkeiten mit Kunst zu verbergen: Prometheus; der Mulciber gab aus feinem Schwefel geschützte Flammen, und die Blitze der lodernden Flammen nahm ich vom Verwandten Phaeton. |
habeo mediae dona Chimaerae, habeo flammas usto tauri 830 gutture raptas, quas permixto felle Medusae tacitum iussi seruare malum. Adde uenenis stimulos, Hecate, donisque meis semina flammae condita serua: 835 fallant uisus tactusque ferant, meet in pectus uenasque calor, stillent artus ossaque fument uincatque suas flagrante coma noua nupta faces. |
Ich habe die Gaben aus dem Mittelteil einer Chimäre, ich habe die Flammen aus der brennenden Kehle eines Stiers geraubt, und ich befahl, diese vermischt mit der Galle der Medusa als heimliches Übel zu dienen. Füge die Stachel den Giften hinzu, Hecate, und bewahre meinen Geschenken den verborgenen Samen der Flammen: sie mögen die Blicke täuschen und Berührungen ertragen, aber in die Brust und in die Venen möge die Hitze einziehen, ihre Glieder mögen zerrinnen und ihre Knochen qualmen und den Fackelzug möge die neue Braut selbst mit brennendem Haar überstrahlen. |
840 Vota tenentur: ter latratus audax Hecate dedit et sacros edidit ignes face luctifera. Peracta uis est omnis: huc gnatos uoca, pretiosa per quos dona nubenti feram. 845 Ite, ite, nati, matris infaustae genus, placate uobis munere et multa prece dominam ac nouercam. uadite et celeres domum referte gressus, ultimo amplexu ut fruar. |
Die Gebete wurden verstanden: dreimal gab die kühne Hecate ein Bellen von sich und brachte die heiligen Feuer hervor mit leuchtender Fackel. Die ganze Macht ist vollendet: ruf die Kinder hierher, durch sie will ich meine teuren Geschenke der Braut überreichen. Geht, geht, Kinder, Sprösslinge einer glücklosen Mutter, gefallt durch euer Geschenk und durch großes Bitten der Herrin und Stiefmutter. Geht und führt eure Schritte schnell nach Haus zurück, damit ich eine letzte Umarmung genießen darf. |
Chorvs Quonam cruenta maenas 850 praeceps amore saeuo rapitur? quod impotenti facinus parat furore? uultus citatus ira riget et caput feroci 855 quatiens superba motu regi minatur ultro. |
Chor Wohin wird die blutdurstige Bacchantin denn so Hals über Kopf, wild vor Liebe, entrissen? Welches Verbrechen plant sie in ohnmächtiger Wut? Der Gesichtsausdruck vor Zorn ganz starr und ihren Kopf schüttelt sie hochmütig in wilder Bewegung und droht zuletzt dem König. |
quis credat exulem? Flagrant genae rubentes, pallor fugat ruborem. 860 nullum uagante forma seruat diu colorem. huc fert pedes et illuc, ut tigris orba natis cursu furente lustrat 865 Gangeticum nemus. |
Wer hätte geglaubt, sie sei verbannt? Die geröteten Wangen lodern, Blässe verjagt diese Röte. Keine Farbe bewahrt ihr Antlitz im Zorn längere Zeit. Hierhin und dorthin schleppt sie sich wie der Tiger, dem die Welpen geraubt wurden in zornigem Lauf den indischen Hain durchstreift. |
Frenare nescit iras Medea, non amores; nunc ira amorque causam iunxere: quid sequetur? 870 quando efferet Pelasgis nefanda Colchis aruis gressum metuque soluet regnum simulque reges? |
Medea weiß nicht, wie sie ihren Zorn zügeln soll, oder ihre Liebe; nun haben Zorn und Liebe sich verbündet: was kommt dann? Wann wird die Verruchte aus Colchis die pelasgischen Gefilde verlassen und das Königreich von der Angst erlösen, und die Könige zugleich? |
Nunc, Phoebe, mitte currus 875 nullo morante loro, nox condat alma lucem, mergat diem timendum dux noctis Hesperus. |
Nun, Phoebus, schick den Wagen mit lockerem Zügel, die nährende Nacht verbirgtdas Licht; der Führer der Nacht, Hesperus, möge den fürchterlichen Tag verbergen. |
Medea hat Erfolg gehabt: ein Bote unterhält sich mit dem Chor über das, was am Königshof geschehen ist; König Creo und seine Tochter Creusea sind verbrannt von einem merkwürdigen magischen Feuer, das man mit Wasser nicht löschen konnte.
Sie selbst erwägt nun, ob nicht noch weitere Racheakte notwendig sind; das, was sie bisher erreicht hat, sättigt ihre Rachsucht noch nicht. Ihr kommt der Gedanke, die gemeinsamen Kinder zu töten – daran hat sie früher schon einmal gedacht, im letzten Teil des Dialogs mit Jason. Nun nimmt der Plan Gestalt an; doch ihre Muttergefühle schalten sich ein und hindern sie für einige Augenblicke. Doch letztlich siegt ihr Hass gegen Jason; als sie meint, den Geist ihres verstorbenen – und von ihr getöteten – Bruders zu sehen, tötet sie eines der Kinder, um ihn zu besänftigen; da hört sie Waffenlärm und flüchtet mit dem zweiten Kind und dem Leichnam auf das Dach des Hauses.
Nvntivs Periere cuncta, concidit regni status; 880 nata atque genitor cinere permixto iacent. Cho. Qua fraude capti? Nvn. Qua solent reges capi: donis. Cho. In illis esse quis potuit dolus? Nvn. Et ipse miror uixque iam facto malo potuisse fieri credo. Cho. Quis cladis modus? 885 Nvn. Auidus per omnem regiae partem furit immissus ignis: iam domus tota occidit, urbi timetur. Cho. Vnda flammas opprimat. Nvn. Et hoc in ista clade mirandum accidit: alit unda flammas, quoque prohibetur magis, 890 magis ardet ignis; ipsa praesidia occupat. |
Bote Alles ist verloren, der Bestand des Königshauses ist gebrochen; Tochter und Vater liegen gemeinsam in Asche darnieder. Cho. Durch welche List getäuscht? Bo. Wodurch Könige eben getäuscht zu werden pflegen: mit Geschenken. Cho. Welche List konnte in ihnen stecken? Bo. Ich wundere mich selbst und obgleich das Übel eben erst geschehen ist, kann ich kaum fassen, dass es geschehen konnte. Cho. Wie ist der Mord passiert? Bo. Begierig wütete ein ein losgeschicktes Feuer durch alle Teile des Königshauses:schon verging das ganze Haus, es wird um die Stadt gefürchtet. Cho. Wasser erstickt Flammen. Bo. Gerade dies ereignete sich bei diesem Unheil wunderlich: das Wasser nährte die Flammen, und je mehr man es bekämpft, desto mehr, desto mehr brennt das Feuer; selbst die Gegenmittel verschlingt es. |
Nvtrix Effer citatum sede Pelopea gradum, Medea, praeceps quaslibet terras pete. Medea Egone ut recedam? si profugissem prius, ad hoc redirem. nuptias specto nouas. 895 quid, anime, cessas? sequere felicem impetum. pars ultionis ista, qua gaudes, quota est? amas adhuc, furiose, si satis est tibi caelebs Iason. quaere poenarum genus haut usitatum iamque sic temet para: 900 fas omne cedat, abeat expulsus pudor; uindicta leuis est quam ferunt purae manus. incumbe in iras teque languentem excita penitusque ueteres pectore ex imo impetus uiolentus hauri. quidquid admissum est adhuc, 905 pietas uocetur. hoc age! en faxo sciant quam leuia fuerint quamque uulgaris notae quae commodaui scelera. prolusit dolor per ista noster: quid manus poterant rudes audere magnum, quid puellaris furor? |
Amme Trag deine Schritte schleunigst aus der pelopeischen Wohnstatt, Medea, und erstrebe eiligst irgendein anderes Land. Medea Damit ich verschwinde? Wäre ich früher geflüchtet, käme ich hierher zurück. Ich erwarte eine neue Hochzeit. Was weichst du zurück, meine Seele? Folge dem glücklichen Anstoß! Der Teil der Rache, über den du dich freust, wie viel ist das? Du liebst noch immer, Wütende, wenn dir der ehelose Jason genug ist. Suche eine Sorte von Strafe, die völlig neu ist und bereite dich so schon vor: jedes göttliche Recht möge weichen, der Anstand möge vertrieben verschwinden; die Strafe ist noch mild, welche die unbefleckten Hände bringen. Liefere dich ganz dem Zorn aus und errege dich, weil du schlaff wirst, und schöpfe den alten, brutalen Antrieb aus deiner innersten Brust! Was auch immer du dir bisher erlaubt hast, das soll man Frömmigkeit nennen! Tu es! Na los, sie sollen wissen wie leicht die Verbrechen waren, und von wie üblichem Bekanntheitsgrad die waren, die ich bisher beging. Mein Schmerz hat hierin nur schwach hervorgeschimmert: was hätten die ungeschickten Hände schon Großes zu wagen vermocht, oder der mädchenhafte Zorn? |
910 Medea nunc sum; creuit ingenium malis: iuuat, iuuat rapuisse fraternum caput, artus iuuat secuisse et arcano patrem spoliasse sacro, iuuat in exitium senis armasse natas. quaere materiam, dolor: 915 ad omne facinus non rudem dextram afferes. Quo te igitur, ira, mittis, aut quae perfido intendis hosti tela? nescioquid ferox decreuit animus intus et nondum sibi audet fateri. stulta properaui nimis: 920 ex paelice utinam liberos hostis meus aliquos haberet++quidquid ex illo tuum est, Creusa peperit. placuit hoc poenae genus, meritoque placuit: ultimum magno scelus animo parandum est: liberi quondam mei, 925 uos pro paternis sceleribus poenas date. |
Nun bin ich – Medea! Meine Begabung wuchs mit den Übeln: es ist erfreulich, ganz erfreulich, dass ich den Kopf des Bruders raubte; ganz erfreulich, dass ich ihn in Stückchen geschnitten habe und den Vater um des geheimen Heiligtums beraubte; ganz erfreulich, dass ich die Töchter des alten Mannes für seinen Untergang bewaffnete. Suche dir Nahrung, Schmerz: zu einem ganz originellen Verbrechen sollst du die Hand führen. Wohin also mit dir, mein Zorn, oder welche Waffen führst du gegen den untreuen Feind? Irgendwie übermütig entschied mein Kopf im Innern und wagt noch nicht, es sich zu gestehen. Ich Dumme habe mich zu sehr beeilt: Ach hätte mein Feind doch irgendwelche Kinder von dem Miststück; was von ihm noch deines war, hat Creusea geboren. Diese Art Rache gefällt mir, und zurecht gefällt sie mir: das allergrößte Verbrechen muss mein großer Geist hervorbringen: die ihr einst meine Kinder wart, euch gebe ich die Strafen für die Verbrechen des Vaters. |
Cor pepulit horror, membra torpescunt gelu pectusque tremuit. ira discessit loco materque tota coniuge expulsa redit. egone ut meorum liberum ac prolis meae 930 fundam cruorem? melius, a, demens furor! incognitum istud facinus ac dirum nefas a me quoque absit; quod scelus miseri luent? scelus est Iason genitor et maius scelus Medea mater++occidant, non sunt mei; 935 pereant, mei sunt. crimine et culpa carent, sunt innocentes, fateor: et frater fuit. |
Schrecken stieß an mein Herz, die Glieder erstarren vor Kälte und meine Brust bebt. Der Zorn verschwand von diesem Ort und die Mutter kommt zurück, die Ehefrau ist vertrieben. Wie kann ich das Blut meiner Kinder und meiner Nachkommen vergießen? Das ist besser, ach, wahnsinnige Wut! Dieses unbekannte Verbrechen, diese brutale Freveltat sei fern, sogar von mir; welches Verbrechen haben die Armen begangen? Das Verbrechen ist, dass Jason der Vater ist, und ein größeres Verbrechen ist, dass ihre Mutter Medea ist! Sind sie nicht die meinen, sollen sie sterben; sind sie mein, sollen sie sterben! Sie tragen keinen Makel und keine Schuld an sich, sie sind unschuldig, ich gestehe es: und das war der Bruder auch. |
quid, anime, titubas? ora quid lacrimae rigant uariamque nunc huc ira, nunc illuc amor diducit? anceps aestus incertam rapit; 940 ut saeua rapidi bella cum uenti gerunt, utrimque fluctus maria discordes agunt dubiumque feruet pelagus, haut aliter meum cor fluctuatur: ira pietatem fugat iramque pietas++cede pietati, dolor. |
Was wankst du, meine Seele? Wieso befeuchten Tränen das Gesicht und warum zieht dich wankelmütig bald der Zorn hierhin, bald die Liebe dahin? Die unentschlossene Glut zieht die Unsichere mit sich; wie wenn die heftigen Winde wilde Kriege führen, wenn die Fluten uneinig das Meer von allen Seiten bedrängen und das ungewisse Meer brodelt, wenig anders wird auch mein Herz umhergespült: Zorn treibt Liebe in die Flucht und die Liebe den Zorn. Weiche der Liebe, Schmerz! |
945 Huc, cara proles, unicum afflictae domus solamen, huc uos ferte et infusos mihi coniungite artus. habeat incolumes pater, dum et mater habeat++urguet exilium ac fuga: iam iam meo rapientur auulsi e sinu, 950 flentes, gementes++osculis pereant patris, periere matris. rursus increscit dolor et feruet odium, repetit inuitam manum antiqua Erinys++ira, qua ducis, sequor. utinam superbae turba Tantalidos meo 955 exisset utero bisque septenos parens natos tulissem! sterilis in poenas fui++ fratri patrique quod sat est, peperi duos. |
Hierhin, liebe Kinder, einziger Trost des schwer geschlagenen Hauses, kommt hierher und schlingt eure Arme klammernd um mich. Der Vater möge euch unversehrt haben, solange auch die Mutter euch hat; Verbannung und Flucht drängen: schon bald werden sie meiner Brust entrissen, und weinen, und klagen; sie sollen vor den Augen des Vaters sterben, in denen der Mutter sind sie schon gestorben. Wiederum wächst der Schmerz und brodelt der Hass, die alte Rachegöttin fordert die unwillige Hand. Zorn, wohin du auch führst, ich folge dir! Wenn ich doch eine Schar wie die hochmütige Niobe geboren hätte und zweimal sieben Kinder hervorgebracht hätte! Ich war unfruchtbar bei der Rache, aber für den Bruder und den Vater ist es genug; ich brachte nur zwei hervor! |
Quonam ista tendit turba Furiarum impotens? quem quaerit aut quo flammeos ictus parat, 960 aut cui cruentas agmen infernum faces intentat? ingens anguis excusso sonat tortus flagello. quem trabe infesta petit Megaera? cuius umbra dispersis uenit incerta membris? frater est, poenas petit: 965 dabimus, sed omnes. fige luminibus faces, lania, perure, pectus en Furiis patet. |
Wohin neigt sich denn die ohnmächtige Schar der Furien? Worauf wartet sie oder für wen bereitet sie die feurigen Stöße, oder wem droht das höllische Heer die blutbeschmierten Fackeln an? Die riesige gewundene Schlange zischt mit herausgestreckter Zunge. Wen will das böse Weib mit der feindseligen Fackel schlagen? Wessen undeutlicher Schatten kommt mit zerteilten Gliedern? Es ist der Bruder, er will Rache: ich gebe sie ihm, aber ganz und gar. Schlage die Fackeln in die Augen, zerfleische, verbrenne, sieh da, die Brust steht den Furien offen. |
Discedere a me, frater, ultrices deas manesque ad imos ire securas iube: mihi me relinque et utere hac, frater, manu 970 quae strinxit ensem++uictima manes tuos placamus ista. Quid repens affert sonus? parantur arma meque in exitium petunt. excelsa nostrae tecta conscendam domus caede incohata. perge tu mecum comes. 975 tuum quoque ipsa corpus hinc mecum aueham. nunc hoc age, anime: non in occulto tibi est perdenda uirtus; approba populo manum. |
Weiche von mir, Bruder, und befiehl, dass die Rachegöttinnen uninteressiert zu den Vorvätern tief herab gehen: lass mich mit mir allein und nutze, Bruder, diese Hand, welche das Schwert schmiedete; mit jenem Opfer befriede ich deine Ahnen. Was bringt mir dieses plötzliche Geräusch? Die Waffen werden ergriffen, sie wollen mir an den Kragen. Das hohe Dach des Hauses will ich besteigen, das Morden hat begonnen. Komm du mit mir als Begleiter! Und deine Leiche schlepp ich auch von hier mit mir. Nun tu es, meine Seele: nicht im Verborgenen sollst du deine Tugend verlieren, beweise dem Volk deine Grausamkeit! |
Jason sammelt in der Stadt Truppen, um Medeas Haus zu stürmen und sich an ihr zu rächen. Er erscheint an Medeas Haus; Medea steht auf dem Dach und hat eines ihrer Kinder bereits getötet, das andere ist noch lebendig bei ihr. Jason ist ganz eifrig dabei, Medeas Vernichtung zu organisieren, da fällt ihm auf, dass sie eines der Kinder getötet hat. Nun verspottet Medea ihn, und Jason ist wehrlos. Sie lässt ihn noch etwas zappeln, ehe sie auch das zweite Kind tötet und die beiden toten Kinder vom Dach wirft. Da erscheint ein von Schlangen oder Drachen gezogener Wagen aus den Lüften, in dem Medea flüchtet. Zurück bleibt ein reichlich demontierter Jason.
Iason Quicumque regum cladibus fidus doles, concurre, ut ipsam sceleris auctorem horridi 980 capiamus. huc, huc, fortis armiferi cohors, conferte tela, uertite ex imo domum. |
Iason Alle, die treu das Gemetzel der Könige bedauern, mögen sich versammeln, damit wir die Schuldige an diesem schrecklichen Vergehen fassen. Hierher, hierhre, tapfere Truppe der Waffenträger, bringt Waffen, löscht dieses Haus vom Untersten her aus. |
Me. Iam iam recepi sceptra germanum patrem, spoliumque Colchi pecudis auratae tenent; rediere regna, rapta uirginitas redit. 985 o placida tandem numina, o festum diem, o nuptialem! uade, perfectum est scelus++ uindicta nondum: perage, dum faciunt manus. quid nunc moraris, anime? quid dubitas? potens iam cecidit ira? paenitet facti, pudet. 990 quid, misera, feci? misera? paeniteat licet, feci. uoluptas magna me inuitam subit, et ecce crescit. derat hoc unum mihi, spectator iste. nil adhuc facti reor: quidquid sine isto fecimus sceleris perit. |
Me. Schon habe ich Zepter, Bruder und Vater zurückbekommen, und die Beute des goldenen Tieres halten die Colcher! Zurück kehrt die Herrschaft, zurück kehrt die geraubte Jungfräulichkeit. Oh endlich, ihr gefälligen Götter, oh Feiertag, oh Hochzeitstag! Geh, das Verbrechen ist vollbracht. Aber die Rache noch nicht: vollende es, solange die Hände es können. Was zögerst du nun, meine Seele? Was zweifelst du? Zerfiel schon der mächtige Zorn? Das Verbrechen reut mich, es schämt mich. Was habe ich Arme getan? Arme!? Freilich reut es mich, aber ich habe es begangen! Große Lust ergreift mich, gegen meinen Willen, und schau, sie wächst! Nur dies eine fehlt mir noch, der Zuschauer da unten. Ich meine, bisher wurde noch garnichts getan: Was auch immer ich ohne dieses Verbrechen beging, ist wertlos. |
995 Ia. En ipsa tecti parte praecipiti imminet. huc rapiat ignes aliquis, ut flammis cadat suis perusta. Me. Congere extremum tuis natis, Iason, funus ac tumulum strue: coniunx socerque iusta iam functis habent 1000 a me sepulti; gnatus hic fatum tulit, hic te uidente dabitur exitio pari. Ia. Per numen omne perque communes fugas torosque, quos non nostra uiolauit fides, iam parce nato. si quod est crimen, meum est: 1005 me dedo morti; noxium macta caput. Me. Hac qua recusas, qua doles, ferrum exigam. i nunc, superbe, uirginum thalamos pete, relinque matres. Ia. Vnus est poenae satis. Me. Si posset una caede satiari manus, 1010 nullam petisset. ut duos perimam, tamen nimium est dolori numerus angustus meo. in matre si quod pignus etiamnunc latet, scrutabor ense uiscera et ferro extraham. Ia. Iam perage coeptum facinus, haut ultra precor, 1015 moramque saltem supplicis dona meis. Me. Perfruere lento scelere, ne propera, dolor: meus dies est; tempore accepto utimur. |
Ia. Seht, sie droht von der steilen Kante des Daches! Jemand möge die Flammen herbeischaffen, damit sie von ihren eigenen Flammen verbrannt wird und fällt! Me. Schichte deinen Kindern, Iason, ein letztes Grab auf und bau einen Hügel drauf: die Ehefrau und der Schwiegervater haben schon angemessene Gräber von mir fertig erhalten; dieser Sohn hat sein Schicksal schon ertragen, und jener wird dem gleichen Ende ausgeliefert – vor deinen Augen. Ia. Bei allen Gottheiten und bei unserem gemeinsamen Fliehen und bei unserem Ehebett, das meine Treue nicht verletzte, nun verschone das Kind! Wenn es ein Verbrechen gibt, ist es meines: übergib mich dem Tode; opfere meinen schändlichen Kopf! Me. Wo du dich sträubst, wo es dir weh tut, dahin stoße ich das Schwert. Geh jetzt, du Hochmütiger, geh zum Brautgemach der Jungfer, lass die Mutter in Ruhe. Ia. Einer ist genug der Strafe! Me. Wenn die Hand von einem Mord gesättigt werden könnte, hätte sie garkeinen ermordet. Wenn ich zwei töte, so ist diese kleine Zahl dennoch um vieles zu klein für meinen Schmerz. Wenn ein Pfand auch nun noch sich in der Mutter verbirgt, dann such ich mit dem Schwert in den Eingeweiden und schneide es raus. Ia. Begehe das begonnene Verbrechen schon, nur dieses erflehe ich noch, und erlasse meinen Strafen wenigstens den Aufschub. Me. Genieße das langsame Verbrechen, eile nicht, Schmerz: heute ist mein Tag, nutze die erhaltene Zeit. |
Ia. Infesta, memet periMe. Me. Misereri iubes.++ bene est, peractum est. plura non habui, dolor, 1020 quae tibi litarem. lumina huc tumida alleua, ingrate Iason. coniugem agnoscis tuam? sic fugere soleo. patuit in caelum uia: squamosa gemini colla serpentes iugo summissa praebent. recipe iam gnatos, parens; 1025 ego inter auras aliti curru uehar. Ia. Per alta uade spatia sublime aetheris, testare nullos esse, qua ueheris, deos. |
Ia. Feindin, töte mich! Me. Du befiehlst mir, mich zu erbarmen? Na schön – fertig! Mehr hatte ich nicht, mein Schmerz, was ich dir opfern könnte. Heb den verschwommenen Blick, undankbarer Iason! Erkennst du deine Frau? So pflege ich zu fliehen. Mein Weg zum Himmel ist erschienen: die zwei Schlangen gewähren unterwürfig dem Zügel ihre schuppigen Nacken. Empfange deine Kinder, Vater; ich fahre mit dem geflügelten Wagen in die Lüfte. Ia. Geh durch die hohen Räume zum Höchsten des Äthers, und stell sicher, dass da keine Götter sind, wo du bist! |