Infrarot-Fotografie habe ich vor einigen Monaten über ein schönes Video-Tutorial von DigitalRevTV kennengelernt.
Im Kern bedeutet das: Anstelle des optisch sichtbaren Lichts verwendet man Infrarot-Licht, um seine Fotos zu schießen. Um hinterher einen schönen Farbeindruck zu bekommen, werden im Anschluss die Farbkanäle neu gemischt, sodass der normalerweise starke Rotstich des Bildes verschwindet.
Infrarot-Fotografie erfordert ein entsprechendes Equipment. Jeder normale Digitalkamera-Sensor kann Infrarot-Licht aufnehmen, aber deswegen ist vor fast jedem Sensor ein Infrarot-Filter angebracht, der dieses Licht blockiert. Das hat seinen Grund: Auf den fertigen Fotos würde man das infrarote Licht sehen können, das man mit dem Auge nicht sehen kann – das Bild wirkt dann „fehlerhaft“. Ein winziger Prozentsatz des Infrarot-Lichts kommt aber trotzdem durch – das kann man sich zunutze machen.
Möglichkeit 1: Filter vor dem Objektiv anbringen
Für ca. 50-100€ kann man einen Infrarot-Passfilter aus dem Internet bekommen. Dieser Filter lässt nur noch Infrarot-Licht durch und sperrt sichtbares Licht aus. Der Effekt: In der Kamera kommt fast garkein Licht mehr an, da sowohl das sichtbare Licht vom Filter vor dem Objektiv, als auch das Infrarot-Licht vom Filter vor dem Sensor ausgesperrt werden. Wählt man nun eine extrem lange Belichtungszeit (bis weit über eine Minute kann notwendig sein), erkennt man plötzlich wieder etwas – es entsteht ein Infrarot-Bild. Damit das gut aussieht, muss der Filter von ordentlicher Qualität sein, und die Kamera muss natürlich auf einem Stativ stehen und ein möglichst unbewegtes Bild fotografieren. Meine Erfahrungen mit dieser Lösung waren enttäuschend: die Qualität der Filter war nicht besonders gut, die Aufnahmen wurden verwaschen und unscharf.
Möglichkeit 2: Filter vor dem Sensor tauschen
Für ca. 100-300€ kann man bei kompetenten Fachgeschäften eine Kamera umbauen lassen. Dazu wird der Filter vor dem Kamerasensor gegen einen Infrarot-Passfilter ausgetauscht – optisches Licht wird ausgesperrt, nur noch Infrarot-Licht darf durch. Dadurch kann das gesamte infrarote Licht durch die Linse auf den Sensor fallen – „normale“ Belichtungszeiten werden möglich und die Bildausbeute ist weit besser als bei der Objektivlösung. Die Kamera kann nun aber nicht mehr ohne Weiteres für normale Fotos verwendet werden. Insgesamt kostet diese Lösung ca. 300-400€, wenn man eine günstige, etwas ältere DSLR dafür besorgt. (Die Sache klappt übrigens auch mit vielen Kompaktkameras, aber das ist wegen mancher technischer Einschränkungen weniger verlockend. Ich gehe im Folgenden immer von einer DSLR aus.)
Erste Aufnahmen
Wenn man ein Infrarot-Bild schießt, erhält man in der Regel zunächst einen stark rötlich getönten Farbeindruck. Das liegt daran, dass der Weißabgleich für sichtbares Licht nicht mit dem Weißabgleich für Infrarot-Licht kompatibel ist. Man benutzt daher den manuellen Weißabgleich. Hierzu schießt man ein Foto von Grünzeug (Gras, Efeu o.ä.) im Sonnenlicht (und zwar wirklich knallendem Sonnenlicht – für IR-Fotografie braucht man absolut krachenden Sonnenschein).
Der Farbeindruck der Aufnahmen mit angepasstem Weißabgleich wird ungefähr dieser sein: Ein markanter Rotstich, heftige Kontraste zwischen Wolken und „blauem“ Himmel, Grünzeug wird fast weiß. Das ist zwar schon sehr schön „sonderbar“, aber normalerweise nicht der Look, den man am Ende erzielen will.
Post Processing: Farbkanäle tauschen
Um den oben gezeigten Look zu bekommen, muss man die Farbkanäle tauschen. Das geht z.B. mit der Bildbearbeitungssoftware GIMP über Farben -> Komponenten -> Kanalmixer. Dort stellt man den Rot-Kanal auf 0% Rot, 100% Blau und den Blau-Kanal auf 100% Rot, 0% Blau um (man tauscht einfach die beiden Kanäle aus). Automatisiert etwas einfacher geht es mit dem Plugin IRChannelSwitch.
Nach dem Kanaltausch sieht das Bild schon richtig gut aus und hat den typischen, leicht dystopischen Infrarot-Look. Nun kann man je nach Geschmack mit einer Bildentwicklungssoftware seiner Wahl an das Bild gehen und nachschärfen, Kontraste verstärken, den Weißabgleich verändern und andere Spielereien vornehmen. Speziell mit dem Weißabgleich lässt sich an den Infrarot-Aufnahmen noch viel machen, um den Farbton des ehemals grünen „Grünzeugs“ besser zur Geltung zu bringen.
Schwierigkeiten
Bei der IR-Fotografie muss man auf ein paar Dinge achten. Zunächst sollte man sich im Klaren sein, dass die Bildkomposition nur eingeschränkt planbar ist. Wenn ein Filter vor das Objektiv geschraubt wird, sieht man durch den Sucher nichts mehr; LiveView wird ebenfalls versagen, weil das wenige IR-Licht, das beim Sensor ankommt, zu wenig ist; man muss also die Komposition ohne Filter vornehmen oder raten. Wurde der kamerainterne Filter ausgetauscht, ist der Sucher zwar benutzbar, aber es gibt noch andere Probleme.
Autofokus
Infrarot-Licht verhält sich anders als sichtbares Licht. Der Autofokus wird bei IR-Aufnahmen nicht mehr sauber treffen, weil IR-Licht einen anderen Schärfebereich hat als sichtbares Licht. Dadurch ist ein Fokussieren „durch den Sucher“ oder ein Autofokussieren nicht besonders zuverlässig. Wer weitwinklig fotografiert und ohnehin eine relativ kleine Blende wählt, kann damit vermutlich leben (so mache ich es); wer aber mit einer großen Blende (z.B. einem 50mm 1.8) fotografiert, der muss den Umweg über LiveView machen, um richtig zu fokussieren. Je nach Kamera kann das sehr lästig sein; der Autofokus im LiveView bei meiner 450D ist ziemlich ätzend, ich bin manuell schneller.
Belichtungsmessung
Die automatische Belichtungsmessung einer DSLR ist auf sichtbares Licht ausgelegt. Je nach Situation ist aber die vorhandene Menge an IR-Licht ganz anders als die an sichtbarem Licht. Dadurch schlägt die automatische Belichtungsmessung bei der IR-Fotografie häufig fehl, man bekommt stark unterbelichtete Bilder. Hier hilft nur Fotografieren im manuellen Modus und eine ordentliche Einstellung per LiveView oder Testbildern.
Sonnenschein
Für IR-Fotografie braucht man richtig, richtig, richtig viel Licht. Damit diese Aufnahmen den „Wow“-Effekt bekommen, den man sucht, wenn man IR-Fotos macht, muss die Sonne scheinen – und zwar nicht ein bisschen, sondern wie im Hochsommer. Jede Wolke, die vor die Sonne rutscht, nimmt dem IR-Bild eine Menge von seinem Bildeindruck. Daher sollte man mit der IR-Kamera nur an wirklich sonnigen Tagen losziehen. Und: Je grüner die Natur um einen herum wuchert, umso besser kommt dieser „Weiße-Blätter“-Effekt heraus. Daher sind die späten Frühlings- und frühen Sommermonate, in denen alles grünt und blüht, für die IR-Fotografie am Schönsten. Hier lassen sich fantastische Ergebnisse erzielen. Ich habe meine Kamera im Winter umbauen lassen – und war erstmal enttäuscht.
Warum die ganze Mühe?
Infrarot-Fotografie sieht sonderbar aus, braucht spezielles Equipment, Postprocessing und dann trifft nichtmal der Autofokus mehr richtig. Warum sollte man sich das antun? Und kann ich nicht den gleichen Effekt durch einen IR-Filter in meiner Bildbearbeitungssoftware erreichen?
Keine Frage, der Bildstil ist merkwürdig – aber zugleich faszinierend. Der Look von Landschaftsaufnahmen in IR ist beeindruckend, gerade weil so kontrastreich und völlig anders, als man es gewohnt ist.
Was in den meisten Bildbearbeitungssoftwares als „IR-Filter“ angeboten wird, ist im Grunde genommen eine Umkehrung dessen, was wir oben gemacht haben – das Bild wird mit einem Rotstich versehen, um eine IR-Aufnahme vorzutäuschen. Wir machen gerade das umgekehrte: Wir erzeugen durch den Farbtausch aus dem IR-Bild ein auf den ersten Blick „normal“ wirkendes Bild. Der entstehende Bildeindruck ist ein völlig anderer – und nicht mit softwaregerenderten „Infrarot“-Filtern zu vergleichen.
Wenn man ohnehin eine ältere DSLR herumfliegen hat, die man nicht mehr nutzt, ist ein IR-Mod eine interessante Möglichkeit, neue, fantasiereiche und kunstvolle Spielereien in die eigene Fotografie einzubauen.
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Appendix I: Theorie
Infrarot-Fotografie ist ein Fotografieren in dem Bereich des Lichts, das mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmbar ist. Licht wird über ein Spektrum an Wellenlängen definiert:
Da es sich um eine Strahlung handelt, wird die Wellenlänge von Licht in Nanometern angegeben. Wie im Bild erkennbar, bewegt sich das für das Auge sichtbare Lichtspektrum zwischen ca. 400nm (blau) und ca. 700nm (rot). Die Bereiche darunter – UV-Licht – und darüber – infrarotes Licht – sind für das menschliche Auge nicht sichtbar. (Das hat vermutlich evolutionäre Gründe, aber die will ich hier nicht diskutieren.)
Trotzdem gibt es das „unsichtbare“ Licht jenseits der für das menschliche Auge sichtbaren Spektren, und mit einer speziell modifizerten Kamera kann man sie sichtbar machen. Dabei sehen wir natürlich nicht „infrarot“, sondern nur eine Annäherung an die Farbbedingungen unter Infrarot – schließlich könnten wir eine farbgetreue Infrarot-Wiedergabe genauso wenig sehen wie die originale infrarote Farbe. Es werden aber bestimmte Eigenheiten des Infrarot-Spektrums deutlich. So fällt sehr schnell die starke Weißfärbung von Blättern, Gras usw. auf (der sogenannte Wood-Effekt – hat mit dem Chlorophyl zu tun, das infrarotes Licht stark reflektiert).
Man kann nun verschiedene Arten von Infrarot-Fotografie trennen, abhängig davon, welches Lichtspektrum man fotografiert. Es ist z.B. möglich, garkeinen Filter vor den Sensor zu setzen („undefinierter Umbau“). Dann kommt jede Form von Licht auf den Sensor durch – man bekommt also UV-, sichtbares Licht und Infrarot-Licht auf die Aufnahme. Diese sogenannte Vollspektrum-Fotografie führt zu einem sehr interessanten Farbeindruck. Wenn wir nun im Infrarot-Bereich bleiben, stellt sich immer noch die Frage, bis zu welcher Wellenlänge man das Licht „abschneidet“. Gängig ist z.B. ein Filter, der bei 720 (Hoya) oder 715 (Schott) Nanometern ansetzt. Die gezeigten Aufnahmen sind mit einer 715nm-Kamera geschossen. Durch Ansätze bei höheren Wellenlängen werden die sichtbaren Farben stärker reduziert, es entsteht ein farbärmerer Eindruck. Einen netten Vergleich findet man hier.